Cameron Carpenter und die Bamberger Symphoniker

Cameron Carpenter, Christoph Eschenbach und die Bamberger Symphoniker mit Rachmaninow und Schumann im Gasteig
Michael Bastian Weiß |
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Cameron Carpenter.
Sony Cameron Carpenter.

Als das Publikum nach sage und schreibe 40 Minuten Verspätung endlich die Philharmonie betreten darf, wird es durch einen spektakulären Anblick für seine Geduld belohnt. Geschätzte fünfzig Lautsprecher, manche von ihnen mannshoch, bevölkern die Bühne. Aus einigen ragen bizarre Trichter, wie aus der Kulisse eines Science Fiction-Films. Die Kommandozentrale ist der riesige futuristische Spieltisch, an dem Cameron Carpenter gleich mit Händen und Füßen schalten und walten wird. Nach dem ersten Teil drängen sich die Hörer um diese „Internationale Tournee-Orgel“ der Firma Marshall & Ogletree wie um eine noch nie gesehene exotische Bestie.

Weit in das 21. Jahrhundert will Carpenter, Jahrgang 1981, das Orgelspiel führen. Doch dieses Brimborium wirkt eher wie aus dem 19. Jahrhundert herbeigebeamt, der Zeit der Weltausstellungen. Dazu passt auch das Spiel des Amerikaners, das von Manierismen durchtränkt ist, wie die Zugaben zeigen: Im „Meistersinger“-Vorspiel von Richard Wagner bringt er so viele Gags unter, etwa elektronisch gesampelte Beckenschläge, hebt willkürlich Stimmen mit dem Schwellwerk hervor, eilt und verzögert, dass einem ganz schwindlig wird davon.

Natürlichkeit

Er ist ein Einzelgänger, der bei den „Paganini-Variationen“ von Sergej Rachmaninow, mit seiner eigenen Bearbeitung des Solo-Parts die Bamberger Symphoniker nicht nur hemmungslos zudeckt, sondern eine Zirkusnummer aus der Partitur macht. Cameron Carpenter ist wie Bayern: Er kann es eigentlich auch alleine. Zweifelhaft, dass das dem grüblerischen Komponisten gefallen hätte.

Darauf ist es eine Wohltat, wenn die Bamberger alleine Musik machen können. Christoph Eschenbach versteht sich auf Richard Strauss: In der Tondichtung „Till Eulenspiegel“ werden die Gesten von den exzellenten Bläsern dreidimensional geschärft, die Gestalten wirbeln letztlich viel lebensechter auf der Bühne herum als in Camerons elektronisches Ein-Mann-Spektakel.

Die Symphonie Nr. 2 von Robert Schumann hingegen besticht durch die Natürlichkeit des Spiels. Rund, hell und durchsichtig klingen die Bamberger, Eschenbach beweist seine Schumann-Kompetenz damit, wie er die Gegensätze von Straffheit und Freiheit, Empfindung und analytischer Klarheit, Nervosität und Besonnenheit gegeneinander ausbalanciert.

Der Zwischenapplaus zwischen den einzelnen Sätzen ist hier berechtigt. Denn in diesem Werk steckt in jedem Augenblick mehr Musikalität als in der ganzen vorangegangenen organistischen Materialschlacht.

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