Kritik

Bryan Adams in München: Es werde Kickass

Der kanadische Rock-Superstar lässt nach seinem Konzert in der Olympiahalle Tausende glückliche Fans zurück.
von  Moses Wolff
Bryan Adams live auf der Bühne der Olympiahalle in München am 29.11.2022.
Bryan Adams live auf der Bühne der Olympiahalle in München am 29.11.2022. © Jens Niering

Wie ein surrealer weißer Hai schwebt kurz vor Konzertbeginn behaglich ein großes, drohnengsteuertes Luftballon-Auto über den Köpfen der Zuschauer durch die gut gefüllte Olympiahalle. Auf den Seiten des Fahrzeugs steht mit Klebebandoptik der Name des erwarteten Stars und der Titel des neuen Albums "So Happy It Hurts". Insider wissen, dass das Auto "Doris" heißt und nach einer Zuschauerin benannt ist.

Bryan Adams: Pünktlich zur Tagesschau-Zeit geht es los

Kurz darauf, pünktlich zur Tagesschau-Zeit, könnte eine Vorband starten, aber es spricht aus dem Off Monthy-Python-Urgestein John Cleese und zitiert das erste Buch Mose: "Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde, dann Wasser und Land, dann den Menschen, der jedoch degenerierte und stieg hinab in einen Abgrund voller schlechter Musik. So brach Dunkelheit herein. Also sandte ER einen Engel, der Stiefel, Bluejeans und Baseballkappe trug..." Ende.

Bühnenbeleuchtung auf Anschlag, harte Rockgitarren und der klare, mitreißende Gesang von Bryan Adams: "Es werde Gitarre. Trommeln. Klavier. Es werde KICK ASS." Alles vielleicht ein bisserl von AC/DC und deren Song "Let there be rock" gecovert, aber ein bombastischer Anfang.

Saubere Balladen und tanzbarer Rock

Eine saubere Gitarrenrock-Ballade folgt auf die andere, die Stimme des Frontmanns scheint seit Jahrzehnten unverändert junggeblieben zu sein. Wie viele klassische Rockbands ist die Band sowohl ihrem Stil als auch dem Showkonzept treugeblieben. Gitarrist Keith Scott jongliert mit seiner Gitarre wie Lucky Luke, einmal wirbelt er sein Instrument sogar Hula-Hoop-mäßig um seinen Körper, um sie danach wieder auf den nächsten Riff zurückschwingen zu lassen.

Nach ein paar Songs fordert Bryan seine Fans auf, zu tanzen, was ein eifriger Kameramann etwas unvorteilhaft grell ausgeleuchtet für alle anderen mitfilmt und auf den Monitor überträgt. Erdig haut die Band einen Hit nach dem anderen raus. Es gibt keine Überraschungen, aber die möchte auch keiner.

Bryan Adams: Songs in der Ich-Form

Bryan Adams schreibt gerne in der Ich-Form, ein Indiz, dass die meisten seiner Titel autobiographischer Natur sind. Euphorische Texte über Selbstbestimmung, Freiheit und Glück, häufig Liebesballaden, beziehungsweise Schmachtgedichte eines entflammten Jünglings an seine vor Reinheit und Schönheit strotzende holde Angebetete. Viele Verliebte im Publikum blicken sich zärtlich an und fühlen sich geborgen in handwerklich einwandfreien Balladen, die nicht provozieren oder verstören sollen, sondern sich einfach nur wie Kokosbutter in den veganen Bagel schmiegen.

Bryan musste schon im Kindesalter ständig umziehen, weil der Vater Diplomat beim kanadischen Militär war. 1967 siedelte die "Adams Family" für vier Jahre nach Lissabon um, eine Lebensphase, die Bryan auch in "Summer of ‘69" beschreibt. Damals kaufte er seine erste sechsseitige Gitarre in einem Billigkaufhaus und spielte, bis seine Finger bluteten. Die einstigen Bandkollegen gingen mit ihm in eine Klasse, doch der eine hörte auf und der andere heiratete, so jobbte der kleine Bryan im Drive-in-Restaurant und lernte auf einer Veranda seine erste große Liebe kennen: Ein verdammt langer, erlesener und intensiver Sommer damals in Portugal und die besten Tage seines Lebens, die der kleine Bryan da als neuneinhalbjähriger Knabe erlebt hat.

"Summer of 69" in München

Zum Song in der Mitte des Konzerts ist der Text in Schreibschrift mit schwarzer Tinte auf der Haut einer nackten Dame zum Mitsingen notiert. Rasch wird die kleine doppeldeutige Anspielung auf die Sexposition "69" (zwinker, zwinker) klar.

Nach der prägenden Zeit in Lissabon zog die Familie nach Tel Aviv. Mit zwölf war er ein Fall für den Psychologen, weil Ma und Pa sich ständig in den Haaren hatten. Der einzige Trost war seine Gitarre. Schließlich trennten sich die Eltern, und es ging ohne Vater zurück nach Kanada. Mit fünfzehn begann er mit Alkohol und Drogen und wurde verhaftet.

Was blieb ihm nach dieser wilden Zeit übrig? Weltstar, international erfolgreicher Fotograf, Chartbreaker und überzeugter Veganer werden, der seine Singstimme beinahe ausschließlich mit Tee verwöhnt!

Nach neunzig Minuten ist der offizielle Teil zu Ende, doch die Zugabenrufe verhallen nicht ungehört. Unter anderem gibt es noch den Titelsong des neuen Albums und den Welthit "Run To You".

Zum Abschluss der Show tritt Bryan allein auf die Bühne und singt zur Akustikgitarre seine beiden wundervollen Oldies "Straight From The Heart" und "All For Love". Und Gott sprach: Es werde Licht! Und am Ende dieses Tages gehen Tausende glücklicher Bryan Adam-Fans nach Hause, denn sie wissen, dass es gut war.

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