"Brunnenhof Open Air 2020": Nach der Talsohle geht es aufwärts
"Das Signal ist: Die Kunst, die Künstlerinnen und Künstler sind zurück", ruft Bernd Sibler mit spürbarer innerer Bewegung. Man nimmt dem bayerischen Staatsminister für Wissenschaft und Kunst ab, dass dieser Abend für ihn einer der angenehmeren Termine der letzten Monate ist. Er berichtet, dass die pandemiebedingten Absagen von Konzerten und vielen anderen kulturellen Veranstaltungen im März "wehgetan" haben, weil klar gewesen sei, dass Musiker dadurch in "existentielle Nöte" gebracht würden. Umso schöner sei es, nun wieder "gemeinsam Musik zu erleben", und das noch dazu in "wunderbarer Atmosphäre".
Das Bayerische Kunstministerium hat die Schirmherrschaft für die Konzertreihe "Brunnenhof Open Air 2020" übernommen, die vom Münchener Konzertverein e. V. ausgerichtet wird. Ihr Zweck ist es, Musikern Auftrittsmöglichkeiten zu verschaffen, damit sie, wie Sibler sagt, "ihren Lebensunterhalt wieder selbst bestreiten können". Der Erlös aus den Eintrittskarten geht - abzüglich Fremdgebühren - zu 100 Prozent an die Musiker.
Die spätsommerliche Luft ist lau, der Brunnenhof in der Residenz nicht überfüllt. Die Abstände werden eingehalten, es gibt die Möglichkeit, Toiletten aufzusuchen, die Alltagsmasken kann man am Platz abnehmen. Wenn es so oder nur ein bisschen weniger perfekt weiter geht, kann man tatsächlich glauben, dass die Talsohle namens Corona durchschritten ist.
Es ist still, ab und an läutet eine Glocke, deren Tonhöhe sogar wundersamerweise zur Musik passt. Auf der Bühne spielen 12 Streicher der "Europamusicale Festival Strings" und machen ihre Sache gut. Am meisten können sie mit den "Rumänischen Volkstänzen" von Béla Bartók anfangen.
Die Intonation, im Freien immer heikler als im Saal, ist sicher, der junge Dirigent Christoph Vandory teilt die Rubati, das flexible Anziehen und Nachlassen des Tempos, nachvollziehbar mit, die Violinsoli sind anheimelnd grazil. Beachtlich ist der Mut zu echten Pianissimi, die im Doppelkonzert d-moll von Johann Sebastian Bach nur ein wenig an Substanz verlieren.
Da in dieser Aufführung kein Cembalo für Zusammenhalt sorgt, wäre eine stärker greifbare Artikulation mit stabiler ausgehaltenen Tönen hilfreich, ähnlich, wie Vandory in der Streicherserenade von Peter Tschaikowsky mehr Impulse setzen und dadurch die Interpretation noch energischer in der Hand halten könnte. Genau solche Erfahrungen müssen junge Musiker bei Auftritten sammeln. Gerade deshalb drücken ja alle die Daumen, dass die Kunst nun wieder tatsächlich dauerhaft zurückkehren kann - nicht nur bei idealen Wetterbedingungen.
Die Konzerte im Brunnenhof der Residenz werden täglich bis zum 3. Oktober mit einer Vielzahl an freien Musiker aller Richtungen fortgesetzt, Alle Termine auf www.konzert-verein.de, Karten unter 089/54 81 81 93 und bei muenchenticket.de.
- Themen:
- Bernd Sibler