Brüssel den Marsch blasen

In Sonntagsreden und Grußworten von EU-Politikern wie Martin Schulz oder Jean-Claude Juncker wird das European Union Youth Orchestra (EUYO) gern gelobt. Es sei ein Symbol für Europa, Vorbild, Botschafter, Inspiration und so weiter. Nun steht dieses Orchester vor dem Aus.
Claudio Abbado war ab 1976 der erste Chefdirigent. Herbert von Karajan und Leonard Bernstein haben mit den jungen Musikern gearbeitet. Die folgenden Chefdirigenten waren Bernhard Haitink und Vladimir Ashkenazy. Im letzten Jahr übernahm Vassily Petrenko den Stab. Unter Ashkenazy war das Orchester regelmäßig bei den Garmischer Richard-Strauss-Tagen zu Gast.
Bis 2014 wurde die Talentschmiede für klassische Musik von der EU direkt unterstützt. Seitdem ist ihr Budget projektbezogen. Mitte April wurde dem EUYO mitgeteilt, das auch diese Förderung von der EU wegen einer schwer verständlichen Regeländerung wegfällt. Gespräche mit den EU-Verantwortlichen seien bislang nicht erfolgreich gewesen. Werde keine Lösung gefunden, müsse das Orchester zum 1. September abgewickelt werden.
Ein falsches Signal für Europa
Es ist einer jener typischen bürokratischen Entscheidungen, die einem Europa in seiner gegenwärtig organisierten Form verleiden. „Gerade in der derzeit schwierigen Lage der EU sind Projekte der Völkerverständigung wichtiger denn je”, sagte Andreas Masopust von der Deutschen Orchestervereinigung. „Die Schließung wäre das falsche Signal für den europäischen Gedanken.“
Mehr als 90 Prozent der Mitglieder des EUYO werden später professionelle Musiker. Beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks kommen 13 Musiker aus dem EU-Vorzeigeprojekt. Ähnlich ist es bei anderen Münchner Orchestern: Im Bayerischen Staatsorchester und bei den Philharmonikern spielen jeweils rund zehn Ehemalige. Der Philharmoniker Konstantin Sellheim hat Workshops beim EUYO geleitet.
Über 3000 junge Europäer aus 28 Ländern haben seit der Gründung mitgespielt. Das Orchester organisiert pro Jahr zwei Arbeitsphasen mit anschließender Tournee.
Mit einer Kampagne macht das EUYO derzeit auf seine schwierige Lage aufmerksam. Sie wird von Dirigenten wie Simon Rattle oder Neville Marriner und von allen großen europäischen Orchestern unterstützt. Die Münchner Philharmoniker und ihr Chef Valery Gergiev werden ein Protestschreiben an die Verantwortlichen richten.
Musiker haben sich im Internet zu Flashmops verabredet, die heute Mittag europaweit stattfinden werden. Mitglieder des BR-Symphonieorchesters spielen um 12 Uhr am Isarufer gegenüber dem Bob-van-Benthem-Platz die EU-Hymne. Und falls Sie nun rätseln, wo das ist: direkt vor dem Europäischen Patentamt, das selbst keine Institution der EU ist, in dessen Gebäude sich aber eine Vertretung der EU befindet.
Für den Erhalt des Orchesters setzt sich eine Online-Petition ein. Nähere Infos unter www.euyo.eu