Bruce Springsteen: Der Durst nach Freiheit

Bruce Springsteen war Star eines pathetischen Werbespots von Jeep beim Super Bowl, doch nun hat ihn ein Delikt aus der Vergangenheit eingeholt.
Dominik Petzold |
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Ein Mann wie der Boss kann natürlich nur einen ganz bestimmten Wagen fahren - jedesfalls im Werbespot, der im Super Bowl gezeigt wurde, bei dem es natürlich um Amerika ging.
Ein Mann wie der Boss kann natürlich nur einen ganz bestimmten Wagen fahren - jedesfalls im Werbespot, der im Super Bowl gezeigt wurde, bei dem es natürlich um Amerika ging. © Screenshot

Autos spielen in Bruce Springsteens Werk eine zentrale Rolle. Ständig kurven "Cars" durch seine Songs und stehen metaphorisch für Freiheit, für Ausbruch und Aufbruch wie in "Born To Run", aber auch für verzweifeltes, zielloses Umherrasen ("Racing In The Street") oder den Totalcrash ("Wreck On The Highway"). Was für eine Ironie, dass der erste große Unfall in Springsteens leuchtender Karriere ausgerechnet mit Autos zu tun hat. Ein Unfall, dessen Schaden immens sein dürfte.

Erster Werbespot für Bruce Springsteen

Beim Super Bowl am Sonntag war Springsteen in einem Werbespot der Automarke Jeep zu sehen - der allererste Werbespot in der Karriere des 71-Jährigen. Zu getragener Musik mit Pedal Steel Guitar hält Springsteen eine Art Predigt: Er ruft seine Landsleute auf, wieder zueinander zu finden, sich in der Mitte zu treffen, in "The Middle", so der Name des kurzen Films. Das sei zuletzt schwer gewesen, sagt Springsteen mit weihevoller Stimme, das Land sei zerrissen zwischen Freiheit und Angst, zwischen Rot und Blau, zwischen Republikanern und Demokraten also. Aber es bestehe die Hoffnung, dass man durch die Dunkelheit wieder zum Lichte finde.

Zu den pathetischen Worten gibt's die passenden Bilder: Springsteen zündet eine Kerze an, lässt die Erde des amerikanischen Bodens durch seine Finger gleiten, fährt durch die wunderbaren Weiten des Mittleren Westens. "There's hope on the road up ahead", sagt er am Ende des Clips, und dieser Hoffnung fährt er selbstredend in einem Jeep entgegen.

Wer die deutlich bescheidenere Hoffnung hegte, dass Bruce Springsteen ein unkorrumpierbarer Künstler ist, der ist seit Sonntag ins Grübeln geraten: Wieso um alles in der Welt setzt er seine künstlerische und moralische Autorität dafür ein, um eine politische Botschaft zu vermitteln - und zugleich einen Konzern aufzuwerten und zu bewerben? Noch dazu einen Geländewagenkonzern, dessen Verbrennungsmotoren ordentlich dazu beitragen, das Klima zu zerstören? Da bleibt nur die allerletzte Hoffnung, dass wenigstens Springsteens Werbehonorar nicht auf seinem Konto neben den Abermillionen gelandet ist, die er seit den Achtzigern mit Platten und Arena-Touren verdient hat, sondern direkt bei einer wohltätigen Organisation. Und dass ihm jemand erklärt, dass sein Aufruf zur Einheit nach der Erstürmung des Kapitols eher naiv und unterkomplex wirkt.

Trunkenheit am Steuer

Doch darüber redet inzwischen ohnehin niemand mehr, denn am Mittwoch nahm die Geschichte eine Wendung ins Surreale. Da wurde publik, dass sich Springsteen bald vor Gericht verantworten muss - weil er im November betrunken hinterm Steuer erwischt worden war. Da nimmt man gleich ganz anders wahr, wie der Boss in dem Werbespot hinterm Steuer dreinschaut (wirklich nüchtern?) und zwischendrin mal einen Schluck aus einem Thermosbecher trinkt (wirklich Kaffee?).

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Drei Vorladungen habe Springsteen erhalten, berichtete zunächst das Nachrichtenportal "TMZ": wegen Trunkenheit am Steuer, wegen Alkoholkonsums an einem Ort, an dem das nicht gestattet ist, und wegen gefährlichen Fahrens. Dass der 71-Jährige danach ungerührt diesen Werbespot drehte, wirkt reichlich seltsam.

Jeep äußerte in einem Statement, dass man von der Anklage gegen Springsteen "nur gelesen" habe - doch das Unternehmen zog sofort den Werbespot zurück, "bis die tatsächlichen Fakten festgestellt werden können". Sollte das Unternehmen tatsächlich nichts von Springsteens Suff-Fahrt gewusst haben, wüsste man gern, ob und wie es auf diesen PR-Supergau juristisch reagieren wird: Die Kosten des Super-Bowl-Werbeclips werden auf rund 22 Millionen Dollar geschätzt - möglicherweise wird Springsteen durch seine Mitwirkung gar nicht reicher.

Bruce Springsteen: Karriere vorbei?

In jedem Fall aber hat er viele Fans verloren, wie man auf seinem Instagram-Account feststellen kann. Da war der Clip am Donnerstag noch zu sehen - und daneben zahllose und fast ausschließlich wütende Kommentare. Heuchlerei und Abgehobenheit wird ihm vorgeworfen, ein User will zudem wissen: Wo sei er eigentlich während der letzten vier (Trump-)Jahre gewesen? Manche bereuen, jahrzehntelang Springsteen-Fans gewesen zu sein, einer schreibt gar: "Career Over". Das ist sicher übertrieben, doch da Springsteen immer auch für seine moralische Integrität verehrt wurde, ist die Fallhöhe gewaltig.

Gerade in den letzten Jahren reihte Springsteen wieder Erfolg an Erfolg: seine gefeierte Autobiographie, seine endlos ausverkaufte Broadway-Show, zuletzt das tolle Album "Letter To You". Und plötzlich ergießt sich Spott auf ihn wie nie zuvor, auf das Autospot-Werbegesicht, das trunken am Steuer saß. Ein Kommentator hatte gleich einen neuen Songtitel parat: "Born To Use Uber".

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