Brass-Brüder und Dorf-Schnurren

So klingt bayrische Freiheit diesen Sommer: Die Express Brass Band stellt ihr Album „We Have Come“ im Volkstheater vor, und Keller Steff & Band feiern „langsam pressiert’s“ heute im Milla
von  Christian Jooß

Dieses Land ist doch auch nur eine Bratwurst unter dem scharfen Senf der Sonne. Während das Fett spritzt und das Eiweiß so vor sich hin denaturiert, nimmt man einen Geruch wahr, den es so nur in diesen Wochen um die Sonnenwende gibt, wenn Bayern vergisst, dass es ein Klischee ist. Und plötzlich ein Sound der Freiheit in der Luft liegt, den man uns so gar nicht mehr zugetraut hätte.

Eine Blaskapelle ist’s, die da mit ihrem Album „We Have Come“ gerade einmarschiert. Die Express Brass Band. Ein Spelunkenklavier, die Snaredrum rasselt. „Stomping Ground“, die Eröffnungsnummer; ist von Moondog, dem straßenmusizierenden Kosmosversteher aus New York. „Radio Kabul“ scheppert den Blues wie Hazmat Modine, hat als Proberaumaufnahme die nötige Körnigkeit und zitiert unverschämt Edvard Griegs „Peer Gynt“-Suite.

Seit 15 Jahren gibt es die Münchner Band um Wolfgang Schlick, die als Kollektiv bestens beim Trikont-Label aufgehoben ist. Wenn dieser Blechkonvoi rollt, hat er den Bremsweg einer Diesellok.
Dabei funktioniert der Klang so unbedingt unbestechlich mit der Sicherheit der Schwarmintelligenz. Diese Musiker können – einzigartig – ihre Wahrnehmung mittels Seitenlinienorganen erweitern. In der Aufnahme in Istanbul wird das Publikum Teil der Band und die Band hört sich selber zu.

Christian Burchard – logisch, der Embryo-Kopf passt ja auch ins Bild – spendiert ihnen „Ya Binte Bledi“, ein arabisch-andalusisches Stück fremde Heimat, das er von einer Nordafrikareise mitgebracht hat. „Space Ham“ ist eher fettig und ein ordentlicher Haschkeks, bei dem sich nicht nur die Stimme ins Universum auflöst. Und plötzlich ist die Erinnerung da, an diese Zigeunerband, ihren feuerlegenden Gitarristen und den Silvesterabend 1969 im Fillmore East: „Who Knows“. Field-Recording mit allen Unwägbarkeiten, einschließlich Menschen, die in die Aufnahme quatschen, und eine lebenspraktische Freejazzhaltung, diese Gruppe ist weltweit einsatzbereit.

Während die Brass-Kapelle international durchschnauft, fühlt sich die Rockband im Regionalen wohl. „langsam pressiert’s“ heißt das Album vom Keller Steff und seiner Band. Die kommen aus dem Chiemgau und aus dem LaBrassBanda-Umfeld. Funky Gypsy-Swing in „Heandl“. Selbst gestrickter Reggae in „Da Zeckan“. Dorf-Rock in „Magic“. Der Steff feiert als bairischer Brocken, der ruhig ein wenig öfter Blues-Harp spielen könnte, die Werkstatt auf dem Land und die kleinen Ungeschicklichkeiten. Das könnte als Musik für einen Rosenmüller-Film durchgehen. Etwas viel Schnurrigkeit, aber mit einer Themenbreite von kackenden Katern bis Chicken Wings durchaus ansprechend. Eins kann der Keller Steff aber absolut nicht: Hochdeutsch. „Sommerregen“ gibt es einmal bairisch, einmal übersetzt. Das hat dann in etwa die Qualität, mit der sich eine Zimmerwirtin in Oberbayern Berliner Touristen verständlich zu machen versucht.

Express Brass Band spielt am Mittwoch, den 18.6 ab 20 Uhr im Volkstheater. Keller Steff & Band ab 20.30 Uhr im Milla, Holzstraße 28

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