Blixa Bargeld spielt im Gasteig

Die Einstürzenden Neubauten spielen an diesem Samstag zum ersten Mal in der Philharmonie im Gasteig
von  Dominik Petzold
Blixa Bargeld.
Blixa Bargeld. © dpa

Die Einstürzenden Neubauten spielen an diesem Samstag zum ersten Mal in der Philharmonie im Gasteig

Ob Zufall oder feiner hanseatischer Humor: Es war schon eine schöne Pointe, dass im vergangenen Jahr in der gerade eröffneten Hamburger Elbphilharmonie als erste Band die „Einstürzenden Neubauten“ auftraten. Unabhängig vom Namen war das eine logische Wahl: Die Berliner sind seit den Achtzigern eine der wenigen deutschen Bands mit internationaler Reputation. Die Pioniere des Industrial, die alle möglichen Gegenstände zur Klangerzeugung einsetzten, wurden zuletzt 2013 für „Lament“ gefeiert, ein Werk über den Ersten Weltkrieg, das als Auftragsarbeit für die Region Flandern entstand und das sie live immer noch aufführen.
Nun spielen sie auch in München in einem Klassik-Konzertsaal: Sie kommen anlässlich des 25. Jubiläums des Muffatwerks, spielen aber nicht wie zuletzt in der Muffathalle, sondern in der Philharmonie. Das Programm heißt wie ihre letzte Veröffentlichung: „Greatest Hits“. Sänger Blixa Bargeld spricht in der AZ über Konzertsäle, den Sound von Plastikrohren und Kinderlieder.

AZ: Herr Bargeld, Sie treten in der Philharmonie auf. Wie wirkt sich der Raum auf ein Konzert der Einstürzenden Neubauten aus?
BLIXA BARGELD: Ich kenne die Philharmonie nicht, aber ich habe das ganze Spektrum in den vierzig Jahren, in denen wir das machen, natürlich schon durch. Von wunderbar klingenden Hallen bis zu Rattenlöchern. Aus der Tatsache, dass es sich um einen Veranstaltungsort für klassische Musik handelt, kann man nicht schließen, dass es automatisch gut ist.

Wird ein Konzert zwangsläufig schlechter, wenn ein Raum akustisch schwierig ist?
Nein, aber es wird sicher nicht einfacher. Vor zwei Wochen haben wir in Kopenhagen gespielt, da war die Bühne so schlecht gebaut, dass es fünf Meter in den Bühnenraum hinein regnete – so lange, bis wir das Konzert abbrechen mussten. Das wird wahrscheinlich in der Philharmonie nicht passieren. Die hat ja wahrscheinlich ein Dach.

Wie war’s in der Hamburger Elbphilharmonie?
Ich bin auf der Bühne, ich kann das nicht beurteilen. Alle, mit denen ich gesprochen habe, sagten, es klang fantastisch. Der Klang allein wird aber viel zu sehr überschätzt.

Welche Faktoren gibt es denn sonst noch bei Konzerten?
Den eigenen Kopf des Zuhörers.

Ihr Live-Programm heißt wie ihre letzte Veröffentlichung: „Greatest Hits“. Wie haben Sie die kompiliert?
Es ist umgekehrt: Wir spielen ein bestimmtes Programm mit Stücken, die wir gerne spielen und die aus dieser Besetzung stammen, der Neubauten-Variante 3.0, die es jetzt auch schon seit zwanzig Jahren gibt. Das ist die Platte zum Programm. Das ist praktisch gedacht: Es gibt viele Leute, die die Neubauten zum ersten Mal hören. Wenn sie fragen, wo dieses Stück drauf ist, das sie zum ersten Mal gehört haben, befindet es sich auf dieser Platte. Der Name ist ein Witz.

Wie viel Improvisation gibt es bei einem Live-Konzert der Einstürzenden Neubauten?
In diesem Programm null. Früher hundert Prozent.

Die Einstürzenden Neubauten gibt es seit 1980. Gibt es Strategien, nicht in Routine zu verfallen?
Wir sind ja in Routine. Diese beiden Programme, die wir spielen, sind Routine.

Aber wenn Sie ein neues Werk schaffen, wollen Sie sicher was Neues machen.
Wir machen es aber nicht. Wir haben seit „Lament“ 2013 nichts Neues mehr gemacht. Die letzte Nicht-Auftragsarbeit „Alles wieder offen“ ist zehn Jahre her. Wir sind im Moment im Semi-Retirement.

Wenn Sie Auftragsarbeiten annehmen, haben dann die Beschränkungen, denen sie unterliegen, einen besonderen Reiz?
Sie machen es einfacher. Ohne Einschränkungen sind alle Türen offen. Wenn man weiß, dass man nur eine Woche Zeit hat und es nur Cellos sein dürfen, ist es einfacher.

Mit dem üblichen Musikervokabular dürfte es bei den Einstürzenden Neubauten nicht getan sein. Wie kommunizieren Sie innerhalb der Band, haben Sie eine eigene Sprache entwickelt?
Die Dinge, mit denen wir arbeiten, entwickeln nach einer Weile Namen. Wie wir damit arbeiten, dazu entwickeln sich auch Phrasen. Wir arbeiten seit 1992 mit demselben Toningenieur zusammen und können das meist relativ kurz halten. Durch die Materialschlacht, die wir von 1980 an betrieben haben, die ganze Materialforschung, ist ein Riesenfundus entstanden, auf den man zurückgreifen kann. Gerade bei der Arbeit an „Lament“ konnten wir uns auf ganz andere Dinge konzentrieren, als die ganze Zeit Klangforschung betreiben zu müssen. Wenn man mit irgendetwas anfängt, zum Beispiel mit einem Plastikrohr, braucht man erstmal eine Weile um herauszufinden, wie man am besten spielt, was man damit machen kann, wie man es abnimmt. Das normale Standardrohr in der Europäischen Gemeinschaft ist fast exakt der Ton E.

Sie haben für die Band schon früh das Internet entdeckt.
Ja, wir haben das Crowdfunding erfunden. Das war eine wunderbare Idee, wir sind ja damit auch viel weiter gegangen als die Leute, die heute Crowdfunding machen. Wir haben nicht nur Subskriptionsgeld eingesammelt. Wir haben mit Kameras gearbeitet, die im Studio installiert waren, so dass man uns zu vorgegebenen Zeiten beim Arbeiten zuschauen konnte. Daneben saß unsere Webprogrammerin, die meine Frau ist, und hat das gleichzeitig kommentiert, hat mit den Leuten geredet, die zugeguckt haben. Das haben wir wunderbar gemacht.

Welche Musik hören Sie privat?
Meistens Radio. Ich höre gern „Late Junction“ auf BBC 3. Das ist ein wunderbares Programm von Avantgarde bis ethnische Musik. Manchmal spielen sie aber auch fürchterliches keltisches Fiddle-Zeug. Und ich höre alten Country, zum Beispiel die Stanley Brothers, die „Man of Constant Sorrow“ geschrieben haben.

Das ist das Stück, das die Coen Brothers prominent in ihrem Film „Oh Brother, Where Art Thou“ verwendet haben.
Einer der beiden Stanley-Brüder spielt in dem Film auch mit. „Man of Constant Sorrow“ ist ein Wahnsinnssong – und sie haben noch mehr davon.

Bob Dylan hat das Lied eine Zeitlang bei seinen Konzerten gespielt.
Ja, das passt. Bob Dylan höre ich natürlich auch, klar.

Sie haben eine Tochter. Wie haben Sie es mit Kinderliedern gehalten?
Meine Tochter kennt etliche Lieder, die ich angeblich erfunden habe. Ich erinnere mich nicht mehr daran, aber ich habe meistens irgendwelche Nonsense-Lieder gesungen, und von denen hat sie sich einige gemerkt.

Und die klassischen Kinderlieder?
Ich habe englische und deutsche Kinderlieder mit ihr gesungen.

Viele Kinderlieder-CDs sind ja erstaunlich furchtbar.
Es gibt auch furchtbare Einschlaf-CDs mit Liedern von Nick Cave & The Bad Seeds. Die hört meine Tochter auch gern, sie hört zum Einschlafen „Red Right Hand“ als Lullaby-Version. Wenn man die Texte von den Stücken kennt, ist es unfassbar, dass man daraus Lullaby-Versionen machen kann, Lullaby-Instrumentalversionen mit synthetischem Klavier und ein bisschen anderem Gedöns. „Where the wild roses grow“, so als Geplänkel. An sich ist das ja nicht zum Einschlafen gedacht. 

Konzert in der Philharmonie am 8. September, 20 Uhr, Karten ab 41,50 Euro unter Telefon 54818181

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.