Biermösl Blosn: Opfer des eigenen Erfolgs

Die getrennte Biermösl Blosn erinnert sich in zwei Büchern getrennt – was sich fast rührend ergänzt
von  Mathias Hejny
Da posieren Stofferl, Hans und Michael (v. li.) noch einträchtig.
Da posieren Stofferl, Hans und Michael (v. li.) noch einträchtig. © Gregor Feindt

Wir nehmen uns jetzt einfach eine Auszeit“, beschwichtigte Hans Well im August 2011 gegenüber der AZ. Ein halbes Jahr später wurde die Trennung der Biermösl Blosn nach triumphalen Abschiedskonzerten offiziell vollzogen.

Hansi hat wieder sein eigenes Trio mit Michi von Mücke sowie Monika Drasch, der Rothaarigen mit der grünen Geige beim Bairisch Diatonischen Jodelwahnsinn – bis 2002 einziges ernstzunehmendes Konkurrenzunternehmen der Well-Brüder. Auch Michael und Christoph „Stofferl“ Well haben sich neu formiert und treten mit Karli auf, dem zwölften Kind der musikalischen Großfamilie vom Biermoos im Fürstenfeldbrucker Land.

In brüderlichem Wettstreit legen sie ihre Lebenserinnerungen in zwei Büchern gleichzeitig vor. Dass man nicht im Streit auseinander gegangen sei, wie es Hans Well vor der Auflösung behauptete, widerlegt er selbst in „35 Jahre Biermösl Blosn“ allerdings. Lange, so beschreibt er, litt er unter künstlerischer Stagnation.

Schon 2008 drohte er nach langen Krisensitzungen, die der Betreuung durch einen Mediatoren bedurften, mit „Kündigung“. Schließlich kapitulierte er „bedingungslos“ und bestand nicht weiter auf einer Weiterentwicklung des Programms. „Die CD verkaufte sich gut, wir aber gingen vorwärts in die Vergangenheit.“

Michi, Stofferl und der am Zerwürfnis beteiligte Gerhard Polt teilten diese Einschätzung nicht. Das Ende der Blosn war offenbar nicht zu vermeiden. Der Band, an dem der Münchner Journalist Franz Kotteder mitformulierte, könnte auch „60 Jahre Hans Well“ heißen und ist eine klassische Autobiografie des Musikers, der am 1. Mai seinen 60. Geburtstag feiern wird.

Ausführlich schildert Well Kindheit und Jugend, erweist sich als Zeitzeuge der Münchner Kabarettszene in den Siebzigern und plaudert aus dem Nähkästchen einer internationalen Karriere im Widerstand gegen die CSU. Ohne Scheu beschreibt er aber auch die Nachteile, eines von 15 Kindern im ländlichen Raum zu sein. Bei aller tief empfundenen Zuneigung zur Mutter und aufrichtig erklärten Liebe zum Vater erinnert er sich, in einer „verwahrlosten Rasselbande“ aufgewachsen zu sein.

Für Klartext ist der Hansi im stets nach Harmonie bestrebten Haushalt gefürchtet. Im Buch „Biermösl Blosn. Tokio – Kapstadt – Hausen“, das Christoph und Michael Well veröffentlichten, beschreiben die Wellküren, mit Moni, Vroni und Burgi Well die Damenabteilung des kabarettistisch-folkloristischen Clans, ihren Bruder: „Er liebt die Konfrontation, er schöpft seine Kraft aus der Reibung.“

Als Autoren haben sich Michi und Stofferl stark zurückgehalten. Ihr Werk ist eine frisch aufgemachte Materialsammlung mit Fotos und Dokumenten, die aus dem von Anfang an gewissenhaft geführten Archiv beliefert wurde. Dazu schrieben fast 60 Freunde, Fans und Wegbegleiter Grußworte, Huldigungen und Epitaphe.

Etwa Dieter Dorn, der den Kleinkünstlern mit „München leuchtet“ die Hochkultur-Tempel öffnete, und Urs Widmer, Alfred Biolek und Otto Waalkes oder Die Toten Hosen und, mit „fürstlichem Dank“, auch Gloria von Thurn und Taxis. Das „Roadbook“ ist nur formal ein Gegenentwurf zu den Memoiren Hans Wells.

Beide Bücher ergänzen sich auf fast anrührende Weise, eben weil sie Ergebnisse eines ebenso familiären wie künstlerischen Konflikts sind. Konstantin Wecker stellt in seinem Beitrag fest, dass Bayern „bunter, vielfältiger und weniger engstirnig geworden“ sei. „Die Biermösls haben daran ihren gehörigen Anteil – und sind vielleicht ein bisschen auch zu Opfern des eigenen Erfolgs geworden.“

Hans Well: „35 Jahre Biermösl Blosn“ (Kunstmann, 336 Seiten, 19.95 Euro). Christoph und Michael Well: „Biermösl Blosn. Tokio – Kapstadt – Hausen“ (Kein & Aber, 224 Seiten, 19.90 Euro)

 

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