Benjamin Bernheim in Prinzregententheater

In der Titelrolle von "Hoffmanns Erzählungen" bei den Salzburger Festspielen hatte der 39-jährige Tenor im vergangenen Sommer bisweilen Probleme, sich gegen die Wiener Philharmoniker im Großen Festspielhaus durchzusetzen. Bei seinem Arienabend im Prinzregententheater wirkte Benjamin Bernheim dagegen an entscheidenden Stellen fast immer eine Spur zu laut. Im Universum gleicht sich - auf lange Sicht betrachtet - eben alles doch irgendwie aus.
Der Franzose begann mit der Arie des Lenski aus Tschaikowskys "Eugen Onegin". Die hätte durchaus etwas mehr elegischen Ton vertragen können. "Una furtiva lagrima" aus Donizettis "Liebestrank" sang er, als handle es sich dabei um eine neapolitanische Kanzone. Das ist bei einem Arienabend sicher nicht verboten, für ein starkes Stilbewusstsein spricht es nicht. Wohler fühlte sich Bernheim bei der Arie des Macduff aus Verdis "Macbeth", die auch als schneidiger Wutausbruch funktioniert.
Sehnsucht nach den schweren Rollen
Bernheim ist ein im Grund lyrischer Tenor mit starkem dramatischem Potenzial. Sein Tenor hat nicht den bläserhaft-nasalen Klang der klassischen französischen Tenöre. Er wirkt mit seiner Ausgewogenheit aus Metall und Schmelz sehr natürlich. Und das passt zum Image des charmanten jungen Mannes von nebenan, das der Sänger ohne Allüren alten Stils mit offenem Hemd recht überzeugend kultiviert.

Es wäre unnatürlich, würde sich Bernheim nicht zu den großen italienischen Rollen hingezogen fühlen. "Recondita armonia" aus dem ersten Akt von Puccinis "Tosca" gelingt ihm gut. Der 1985 in Paris geborene Sänger würde auch die Arie aus dem dritten Akt schaffen. Aber ob seine Kraft auch für den zweiten reichen würde, scheint bis auf Weiteres doch zweifelhaft.
Im Zweifel dann doch laut
Besser eignet sich seine Stimme für Gounods Romeo, den Des Grieux aus Massenets "Manon" und den Werther. Bei diesen Rollen schadet ein nicht abgerufener Kraft-Überschuss im Hintergrund nicht. Bernheim vermeidet es weitgehend, französische Musik vordergründig zu italianisieren. Beim letzten Stück des offiziellen Teils, Werthers "Pourqoui me révellier" wurde der Sänger doch unverhältnismäßig laut. Das macht Effekt, nur erklärt Werther seine Liebe durch die Übersetzung eines melancholischen Frühlingsgedichts nur indirekt und brüllt sie Charlotte nicht ins Gesicht.
Da ging der Sänger mit dem Interpreten durch. Begleitet wurde der von Philharmonie Baden-Baden unter dem Dirigenten Marc Leroy-Calatayud eher rustikal mit den üblichen Ouvertüren. Immerhin gab es eine Überraschung: das Intermezzo aus Massenets "Don Quichotte" mit einem elegischen Cellosolo. Als Zugaben sang Bernheim üppig instrumentierte franzöische Chansons. Mit dieser Musik fühlt er sich wohl, mit Oper auch. Bernheim ist auf dem Sprung zum Tenor-Weltstar, und dabei wird ihn niemand aufhalten.
Benjamin Bernheims neuestes CD "Douce France" erschein 2024 bei der Deutschen Grammophon