Beethovens Geist aus Igor Levits Händen

Der Pianist Igor Levit beginnt seinen Beethoven-Zyklus im Prinzregentheater
von  Michael Bastian Weiß
Vorbereitung auf Beethoven: Der Pianist Igor Levit mit Alexandra Schreyer vom Veranstalter Bell’Arte.
Vorbereitung auf Beethoven: Der Pianist Igor Levit mit Alexandra Schreyer vom Veranstalter Bell’Arte. © Peter Meisel/peter.meisel@gmail.com

Mit gerade einmal 30 Jahren hat sich Igor Levit bereits den Ruf eines bedeutenden Beethoven-Spezialisten erarbeitet. Neben einzelnen Klaviersonaten spielte er etwa mit Julia Fischer die Violinsonaten, und es ist auch nicht vergessen, welche einzigartigen metaphysischen Tiefen er im dritten der Klavierkonzerte entdeckte.

Nun beginnt er einen gewaltigen Zyklus, in welchem er in dieser und der nächsten Saison sämtliche Klaviersonaten des Komponisten vortragen wird. Nach der Auftaktmatinée zu urteilen, ist hier Größtes zu erwarten. Neben der stupenden technischen Fertigkeit und dem Ehrgeiz, im Konzert wahrhaft Ereignishaftes zustande zu bringen, ist es besonders eine weitere Fähigkeit, die Igor Levit für Beethovens riesenhaftes Oeuvre prädestiniert.

Und das ist seine Wandelbarkeit. Es wäre zwar übertrieben zu sagen, dass Levits Spiel eine Projektionsfläche für die so unterschiedlichen Sonaten bereitstellen würde. Dafür ist sein Ton dann doch zu individuell und sein Spiel auch gleichsam zu charakterfest, als dass immer alles möglich wäre; unkultivierte Ausbrüche beispielsweise hat sich der Deutsch-Russe noch nie gestattet.

Der Hörer lässt sich gerne mal aus der Kurve tragen

Levit wird aber so unterschiedlichen Werken wie der frühen Sonate Nr. 1 f-moll und der reifen Sonatine Nr. 25 G-Dur genau deshalb gerecht, weil er sie nicht unterschiedslos seinem persönlichen Stil, seiner Farbgebung, unterstellt, sondern vielmehr neugierig und sensibel auf ihren je eigenen Charakter hin abklopft.

So versetzt er sich in die ungebrochene Leidenschaft hinein, mit der Beethovens Sonatenerstling endet, ohne sie gleich ins Pathologische zu treiben, und kann wenig später die G-Dur-Sonate mit hurtigen Tempi nonchalant im Nichts verpuffen lassen. Das Scherzo der Sonate Nr. 12 As-Dur wiederum entwickelt eine solche Spieltemperatur, dass Levit sich am Schluss fast vom Steinway wegstoßen muss: als sei die Tastatur heiß gelaufen.

Zu seinem Meisterstück aber gerät die Sonate Nr. 21 C-Dur „Waldstein“. Igor Levit hält seinen Ton ganz klein, fast immateriell leise und reaktionsschnell. Somit kann er im Kopfsatz ein feuriges, dennoch genießbares Tempo realisieren.

Die Klangwunder des Finales kann man nicht anders als unwirklich nennen, und es bleibt Igor Levits Geheimnis, wie er die immensen technischen Schwierigkeiten mit zwei Händen allein so präzise darstellen kann. Der tosende Applaus im Prinzregententheater beweist: Die Hörer lassen sich gerne auch einmal aus der Kurve tragen. Das ist Beethovens Geist aus Levits Händen.

Fortsetzung folgt am 21. Januar 2018 um 11 Uhr im Prinzregententheater, Karten unter Telefon 811 61 91

 

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