Beeindruckende Wiedergeburt der Scorpions
Kaum zu glauben: Die Scorpions haben sich neu erfunden. Jahrzehnte lang präsentierten sie uns ihren festgefahrenen Sound in allen möglichen Variationen, nun können sie mit ihrem MTV-Unplugged- Projekt ein völlig neues Kapitel aufschlagen.
München - Über 10.000 bestgelaunte Fans feierten in der Olympiahalle die beeindruckende Wiedergeburt ihrer Lieblingsband, die ja eigentlich schon in Rente gehen wollte. Und nach einem langen Konzertabend waren sich alle einig: Verdammt schade wäre es gewesen, hätte man diese Metamorphose nicht mehr miterleben dürfen.
"Wollen wir uns lieber alle gemeinsam das Spiel der Champion's League anschauen?", fragt Sänger Klaus Meine keck ins Publikum, obwohl er die Antwort schon kennt: Nein, natürlich nicht, wir wollen Scorpions unplugged hören, sonst wären wir ja nicht hier! Eine kluge Wahl, wie sich später herausstellen sollte.
Freilich sind all die Holzinstrumente von den verschiedensten Gitarren über ein Streicher-Oktett bis hin zur indischen Sitar auf der Bühne erstmal ungewohnt, zumindest für eingefleischte Hardrock- Fans. Und auch die Tatsache, dass niemand mit wilden Kraftmeier-Posen rumhampelt, sondern alles brav auf den Stühlen sitzt, ist neu. Jetzt geht es um Präzision, und man kann nicht mehr den kleinsten Fehler im Donnerwetter der E-Gitarren verstecken.
Ein Lied der Hoffnung
Auf der Bühne neben der Band und der Streichergruppe noch jede Menge Gastmusiker aus Schweden. Meine neent sie "unsere Schweden- Combo"; und auch Drummer Johan Franzon kommt aus dem Land der Elche.
Kein Wort darüber, dass der eigentliche Schlagzeuger James Kottak aufgrund juristischer Schwierigkeiten erst mal eine Zeit lang in Dubai bleiben muss und Franzen im letzten Moment eingesprungen ist. The Show must go on.
Viel noch nie live gespieltes Material aus alten Zeiten wie "Born To Touch Your Feelings" oder "Speedy's Coming" aus jenen Tagen, als Scorpions noch im Münchner Club "Blow Up" aufgetreten sind, aber auch die bekannten Mitsing-Hymnen wie "Send Me An Angel", "The Best Is Yet To Come", "In Trance", "Big City Lights", "Still Lovin' You" und viele mehr. Und natürlich auch "Wind Of Change". Meine nennt diesen Song "ein Lied der Hoffnung, in diesen Tagen der Krise in der Ukraine".
Wie im Wohnzimmer
Überhaupt ist die Art, wie der Scorpions-Frontmann durch den Abend führt, überraschend sympathisch und fern aller "Do-You-Feel- Alright?"-Schreierei. Er erzählt Storys zu den Songs und aus dem Band- Leben, schafft damit eine ganz eigene Wohnzimmer-Atmosphäre.
Dass es gegen Schluss dennoch noch mal richtig krachen muss, natürlich mit "Rock You Like A Hurricane", ist Ehrensache. Wirklich ein spannender Abend.
Einziger Wermutstropfen: Der Gesangsversuch von Gitarrist Rudolf Schenker. Da ist auf der Qualitäts-Skala noch etlicher Spielraum nach oben.