Kritik

Bayerisches Staatsorchester: Vorprogramm zur nächsten Premiere

Münchner Nationaltheater: Vladimir Jurowski dirigiert Werke von Krzysztof Penderecki und Igor Strawinsky.
Michael Bastian Weiß |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Der Cellist Jakob Spahn und das Bayerische Staatsorchester.
Der Cellist Jakob Spahn und das Bayerische Staatsorchester. © Wilfried Hösl

München - Naja, das war ja eine nette Filmmusik", sagt die feine Dame neben dem Kritikerplatz. Genau so ist es: Ein paar harmlose Stücklein schrieb der junge Krzysztof Penderecki 1964 für das dreistündige polnische Schwarzweiß-Epos "Die Handschrift von Saragossa". 

Konzertbesucherin: "Wenn's atonal gewesen wäre, wär's noch schlimmer gewesen!"

Das Bayerische Staatsorchester offeriert sie gewissermaßen als Appetithäppchen zu Pendereckis großer Oper "Die Teufel von Loudun", die in gut vier Wochen am Nationaltheater Premiere hat.

Interessanter als diese bloßen Stilübungen selbst ist der Umstand, dass Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski die verschollene Partitur zur Ouvertüre des Films nach dem Gehör rekonstruiert hat. Schönerweise geht der Kommentar der kompetenten Konzertbesucherin noch weiter: "Wenn's atonal gewesen wäre, wär's noch schlimmer gewesen!"

Man kann das nicht besser spielen als Solocellist Jakob Spahn

Nach der Filmmusik steht Pendereckis Violoncellokonzert Nr. 2 auf dem Programm. So sehr er auch Elefantenohren macht, gelingt es dem Rezensenten doch nicht mehr zu erlauschen, was die urteilssichere Sitznachbarin über dieses ausladende Werk denkt.

Möglicherweise wäre sie auch unschlüssig gewesen, weil der polnische Komponist selbst zur Entstehungszeit Anfang der 1980er Jahre zwischen einem gemäßigten Neue-Musik-Stil und einem auf Hochglanz polierten Gestus der Betroffenheit schwankte.

Gänsehauterregender Grusel mit monotonen Streichern

Eindeutig ist hingegen, dass man das nicht besser spielen kann als Jakob Spahn. Der orchestereigene Solocellist hat mit dem 2020 verstorbenen Komponisten intensiv zusammengearbeitet. Mit würzigem Ton und sehrenden Doppelgriffen verfolgt er den nie nachlassenden Ausdruckswillen seines Parts.

Dazu schafft Vladimir Jurowski mit dem Staatsorchester Atmosphäre: monumentales Pathos mit dräuenden Glocken oder gänsehauterregenden Grusel mit monotonen Streichern - da ist sie wieder, die Filmmusik. Dass alle die Rezitative, Monologe und Orchester-Episoden letztlich nirgendwo hinzuführen scheinen, können weder Solist noch Dirigent verhindern.

Dirigent Jurowski erkennt unter der zwölftönigen Oberfläche den immensen Bilderreichtum

Nach der Pause hat sich das Publikum in der Staatsoper merklich ausgedünnt. So kann der Rezensent den Platz wechseln und eine andere Perspektive einnehmen. Auf die Einschätzungen der Hörerkollegin muss er zwar nun verzichten. Macht nichts.

Denn mit welcher Akribie das Staatsorchester die zwölfstimmigen Kontrapunkte der "Variations ,Aldous Huxley in memoriam'" des späten Igor Strawinsky durchgestaltet, wie hellsichtig Jurowski unter die zwölftönige Oberfläche schaut und den immensen Bilderreichtum erkennt und in was für einer Plastizität Orchester und Dirigent das "Petruschka"-Ballett des frühen Strawinsky tanzen: Daran besteht so und so kein Zweifel.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.