Interview

Bariton Thomas Gropper über seinen neuen BachKantatenChor

Der Bariton und Dirigent Thomas Gropper erzählt im Interview mit der AZ über den von ihm neu gegründeten BachKantatenChor und welche Einflüsse sich in seine Musik mischen.
von  Michael B. Weiß
Thomas Gropper und die Sängerinnen und Sänger seines BachKantatenChors.
Thomas Gropper und die Sängerinnen und Sänger seines BachKantatenChors. © Thomas Delang

München - AZ-Interview mit dem Bariton und Dirigenten Thoma Gropper, der über 200 Kantaten von Johann Sebastian Bach mit dem von ihm neu gegründeten BachKantatenChor in München und Umland aufführen will. 

Thomas Gropper: Keine Konkurrenz zum Bach-Chor

AZ: Herr Gropper, in München gibt es bereits den traditionsreichen Bach-Chor. Ist in der Stadt genug Platz für zwei solcher Ensembles?
THOMAS GROPPER: Unser Projekt versteht sich nicht als Konkurrenz. Der Bach-Chor, bei dem ich zehn Jahre lang Stimmbildner war, ist ein großer Chor mit einer weiten stilistischen Spannbreite und einem vielfältigen Repertoire. Wir vom BachKantatenChor hingegen führen ein begrenztes Repertoire mit einer kleinen Besetzung von 20 bis 24 Sängerinnen und Sängern auf - angesichts der Bedeutung des Kantaten-Werks und der Größe der Stadt besteht da kein Konflikt.

Wie setzt sich der Chor zusammen?
Der BachKantatenChor rekrutiert sich aus den Arcis-Vocalisten, einem großen Laien-Chor mit etwa 80 Mitgliedern, von denen etwa zehn Prozent an der Hochschule für Musik und Theater studieren. Er ist aber organisatorisch davon unabhängig. Jedes Register ist fünf, sechs Stimmen stark. Das Orchester, das Spezialisten-Ensemble "L'arpa festante", ist knapp gehalten und größtenteils solistisch besetzt.

Gropper: Manchmal braucht es keinen Dirigenten für den Chor

Wie sehen Sie Ihre Rolle als Dirigent?
In der Rolle eines Mitmusizierenden. Wenn eine Arie läuft, hat der Dirigent nicht mehr viel zu tun. Dann kann ich die Leute noch nett anlächeln und versuchen, etwas Elastisches und Freudiges zu vermitteln. Ansonsten braucht man mich vor allem für den Einsatz am Anfang und für die Schlüsse. Aktiver bin ich beim Chor, weil da mehr Koordination gefragt ist. Ich finde, bei einer solchen Aufgabe muss sich ein Dirigent nur dort wichtig nehmen, wo er gebraucht wird.

Sänger können das Tempo selbst bestimmen

Wie stehen Sie zur Frage der Tempi, da gibt es ja bei Bach eine große Spannbreite?
Den Solistinnen und Solisten überlasse ich die Wahl des Tempos, wobei wir uns schon vorher über einen gewissen Korridor von Möglichkeiten abstimmen. Als Sänger bin ich selber immer froh, wenn ein Dirigent es respektiert, wenn ich ein Tempo zu schnell finde oder so langsam, dass ich dabei fast sterbe. Auch die Größe des Raumes macht viel aus.

Welche Musiker haben Ihr Bach-Bild geprägt?
John Eliot Gardiner finde ich ein gutes Vorbild. Es ist ein bisschen schick geworden, gegenüber Karl Richter oder dem frühen Helmuth Rilling hochnäsig zu tun, aber das finde ich nicht in Ordnung. Auf den alten Aufnahmen des Bach-Chores hört man, dass der Chor hinsichtlich der Beweglichkeit etwa heute einen ganz anderen Standard hat. Aber Richters hohe Emotionalität nimmt mich sehr mit, während in der heutigen Aufführungspraxis vieles sehr gestylt ist.

Gropper: Hauch von Indien und Tibet in der Musik

Was meinen Sie mit Emotionalität?
Wir haben ja eine große Faszination für außereuropäische spirituelle Kulturen, etwa indische Ragas oder den tibetischen Obertongesang. Das ist auch alles ganz toll, aber auch wir haben eben eine eigene Tradition, in der unwahrscheinlich viel Material steckt, Schriftzitate, Anspielungen, Choral-Assoziationen. Deswegen schalte ich auch den Aufführungen einen kleinen Vortrag vor, bei dem wir interessante Stellen anspielen und so für das Publikum herausholen, damit man wie Sherlock Holmes auf Spurensuche gehen kann.

Wie gestaltet sich die Finanzierung?
Wir haben klein angefangen und konnten die beiden Kirchen deutlich günstiger mieten, weil wir keinen Eintritt verlangen. Außerdem haben wir den BachKantatenVerein e.V. gegründet und Sponsoren- und Fördergelder im mittelgroßen Bereich einwerben können. Spenden sind natürlich immer höchst willkommen.

Auswahl der Kantaten nach Kirchenjahr

Nach welchen Kriterien wurden die ersten beiden Kantaten "Ich hab in Gottes Herz und Sinn" BWV 92 und "Was mein Gott will, das g'scheh allzeit" BWV 111 ausgesucht?
Wichtig war uns, dass die Kantaten thematisch zum Kirchenjahr passen. Außerdem liegt den beiden Werken der gleiche Choral zugrunde - was für die Soprane, zugegeben, etwas einförmig zu singen ist. Ansonsten spielt der Chor jedoch in diesen Werken eine große Rolle. In der Kantate BWV 92 findet sich übrigens eine hochvirtuose Tenorarie, die zeigt, wie opern-like Bach komponieren konnte. Er konnte auch sehr sarkastisch sein, nicht zuletzt, wenn es um das Verhältnis von Musik und Politik ging.


Infos: bachkantatenverein.de

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