Barbara Hannigan dirigiert Klassiker der Moderne

Höchstens Plácido Domingo kann dieser Frau an Vielseitigkeit das Wasser reichen: Vor zwei Jahren sang die Sopranistin Barbara Hannigan im Nationaltheater die Marie in Bernd Alois Zimmermanns Oper „Die Soldaten“. Nun dirigiert sie bis Samstag drei Konzerte der Münchner Philharmoniker im Gasteig. Auf dem Programm steht Musik von György Ligeti, Alban Berg, Gabriel Fauré und Igor Strawinsky.
AZ: Mrs. Hannigan, wie sind Sie zum Dirigieren gekommen? Aus Ärger über unfähige Männer?
BARBARA HANNIGAN: Ich verstehe das Dirigieren als Weiterentwicklung meiner Auseinandersetzung mit Musik. Sozusagen als Fortsetzung des Gesangs. Ich habe als Sängerin mit wundervollen Dirigenten gearbeitet. Und ich werde das auch weiterhin tun.
Im Gasteig machen Sie beides: Sie singen und dirigieren Bergs „Lulu“-Suite. Wie geht das?
In der ersten Probe dirigiere ich noch viel. Dann übergebe ich schrittweise die Verantwortung an die Musiker des Orchesters. Bei den Münchner Philharmonikern kann ich damit sehr weit gehen – wir haben einen gemeinsamen Atem. Einige Zeichen genügen. Außerdem singe ich nur in einem Satz der Suite: im „Lied der Lulu“. Es steht im Dreivierteltakt und ist weniger kompliziert als der Rest.
Haben Sie schon selbst andere Sänger begleitet?
Ja, schon bei meinem Debüt 2011 im Pariser Théâtre du Châtelet mit Strawinskys „Renard“. Später habe ich Benjamin Brittens „Les Illuminations“ für Tenor und Orchester dirigiert, aber auch Arien von Mozart.
Wieso ist die Musik des 20. Jahrhunderts Ihr Schwerpunkt?
Weil ich sie leichter lerne als andere Künstler. Und ich denke, dass ich die Musik der Gegenwart auch besser verstehe. Dieses Talent ist mir Verpflichtung und Verantwortung.
Wie hängen die Stücke Ihres Programms zusammen?
Ligetis „Atmosphères“ ist als Klangfarbenkomposition ein zentrales Werk des 20. Jahrhunderts. Es eröffnet eine neue Ära des Klangs. In meinem Programm steht es als Vorspiel zur „Lulu“-Suite: sozusagen Lulu als „Erdgeist“ – der erste Teil des Stücks von Wedekind. Nach der Pause folgt die Suite „Pelléas et Mélisande“ von Gabriel Fauré. Das Stück von Maeterlinck formuliert ein gegensätzliches Frauenbild: Lulu ist ein Spiegel männlicher Wünsche. Mélisande ist ein Rätsel: Die Männer versuchen, sie zu formen, aber man erfährt nur, dass sie unglücklich ist.
Und warum den Strawinsky?
Die Münchner Philharmoniker haben die „Symphony in Three Movements“ lange nicht gespielt. Sie ist nicht so bekannt wie „Le Sacre du Printemps“, aber ähnlich kraftvoll – ein ziemliches Macho-Stück. Das gefällt mir.
Ist eine Dirigentin für ein mehrheitlich männliches Orchester noch immer ungewöhnlich?
Ich denke, Nicht-Musiker nehmen so etwas wichtiger als ein Orchester. Ich denke nicht: „Der Cellist vor mir ist ein Mann. Für mich ist er „das Cello“ und erst in zweiter Linie Mann oder Frau. Der Klang ist wichtiger.
Viele Musiker beschreiben das Verhältnis von Orchester zum Dirigenten als erotisch.
Das stimmt sicher. In der Kunst geht es immer um Emotionen und Gefühle – egal, ob man singt oder tanzt. Aber das ist unabhängig vom Geschlecht.
Haben Sie weitere Pläne für München?
Nächstes Jahr dirigiere ich das Bayerische Staatsorchester im Nationaltheater. München hat seine sehr reiche musikalische Kultur. Die Proben für die „Soldaten“ an der Staatsoper vor zwei Jahren waren fantastisch. Kein anderes Opernhaus der Welt hätte dieses Werk so perfekt vorbereitet.
Was kommt nach München?
Ich singe bald Schönbergs „Erwartung“, eine neue „Lulu“. Vier neue Opern werden für mich komponiert: für das Festival von Glyndebourne, für Los Angeles und Paris. Und ein Werk, das im Münchner Nationaltheater herauskommt.
Wer komponiert diese neue Oper?
Das verrate ich noch nicht.
Philharmonie im Gasteig, heute 19 Uhr (Jugendkonzert), Fr., 20 Uhr, Sa., 19 Uhr, Restkarten an der Abendkasse