Barbara Hannigan dirigiert das Bayerische Staatsorchester
MÜNCHEN - Es gibt Meister des Taktschlagens: Der verstorbene Lorin Maazel war darin perfekt. Bei anderen berühmten Kapellmeistern lässt die Technik zu wünschen übrig. Sie wirken – wie die meisten Fachkräfte für Originalklang – stattdessen durch Kompetenz und Charisma. Ihre Konzerte sind oft interessanter, weil unter ihnen oft riskanter und riskiofreudiger gespielt wird.
Um es wirklich beurteilen zu können, müsste man einen Orchestermusiker um sein strenges Urteil bitten. Aber dem Augenschein nach ist die Sängerin Barbara Hannigan keine Perfektionistin der Schlagtechnik. Trotzdem hat sie mit ihren eleganten Tänzen schon die Münchner Philharmoniker gebändigt. Nun stand sie im 2. Akademiekonzert zum ersten Mal vor dem Bayerischen Staatsorchester im Nationaltheater, das sie als Sängerin aus Bernd Alois Zimmermanns „Die Soldaten“ bestens kennt.
Hannigan begann mit dem unbegleiteten Sopransolo „Djamila Boupacha“ von Luigi Nono: ein hoch expressives Stück über eine algerische Widerstandskämpferin. Ohne Unterbrechung folgte eine in ähnlichem Geist komponierte Symphonie: Joseph Haydns Nr. 49 „La passione“. Und zwar so, dass sich von ihr ohne weiteres auch alle übrigen 103 Werkes Haydns dieser Gattung anhören würde. Der dunkle Klang des Staatsorchesters passte perfekt zum Charakter des Stücks. Die Streicher spielten mit dosiertem Vibrato und die Dirigentin gestaltete jede Wiederholung als Steigerung. Eine aufregende Aufführung!
Das Programm schritt konsequent von der Düsternis zum Heiteren. Zwischen Haydn und Rossinis spritzig gespielter Ouvertüre zu „La scala di seta“ vermittelte die große Arie der Anne aus Igor Strawinskys Oper „The Rake’s Progress“ mit ihrer Anverwandlung des romantischen Belcanto, dessen Modernität die Sängerin mit kühlen, technokratischen Farben unterstrich.
Nach der Pause sang und spielte Hannigan Luciano Berios unbegleitete „Sequenza III“. Grenzen ihres Dirigierens zeigten sich zuletzt in Strawinskys „Pulcinella“-Suite. Da fehlten der letzte Feinschliff und die nachhaltige Kontrolle.
Die Serenata wirkte pauschal. Insbesondere die Tarantella verlor sich im Mulmigen. Auch die Verfremdung Pergolesis ins Neusachlich-Abstrakte kam kaum heraus. Aber raffinierter sprang in letzter Zeit kaum ein Konzert zwischen Klassik und dem 20. Jahrhundert hin und her, um zuletzt die Gegensätze im Neoklassizismus zu überwinden.