Ballett als Zugabe: Joana Mallwitz dirigiert das Bayerische Staatsorchester
Der Minister war anwesend. Aber vielleicht wollte Markus Blume auch nur Tschaikowsky und Mozart hören, und womöglich haben ihn die Gerüchte, Joana Mallwitz könnte Vladimir Jurowski als Generalmusikdirektorin ablösen, auch nur neugierig auf dieses ausverkaufte Akademiekonzert des Bayerischen Staatsorchesters gemacht. Für den immer noch nicht verlängerten Intendanten Serge Dorny war es ein normaler Abendtermin - die Gerüchteküche serviert ihm derzeit ohnehin wieder freundlichere Grüße aus ihren Töpfen.
Die Dirigentin eröffnete den Abend mit Wolfgang Amadeus Mozarts strahlender "Linzer" Symphonie KV 425. Die langsame Einleitung erklang spannungsvoll, die Melodien traten lebendig miteinander in einen Dialog. Mehr als andere ihrer Kolleginnen und Kollegen achtete Mallwitz auf eine fein gestufte Dynamik: Wenn Mozart "piano" fordert, lässt die 38-jährige Ehrendirigentin der Staatsphilharmonie Nürnberg und derzeitige Chefdirigentin des Berliner Konzerthausorchesters das Orchester auch wirklich eine Stufe leiser spielen. Im Trio gab es eine originelle, die volkstümliche Herkunft der Melodie betonende Tempo-Rückung, das Finale erklang hell und federnd mit einer scharfen Trennung im Klang zwischen Streichern und Bläsern.
Musik mit Noblesse
Das ist ein Mozart im besten modernen Sinn, lebendig und vital, aber ohne forcierte Orientierung am historisch informierten Stil. Dazu tanzt Joana Mallwitz die Musik auf dem Podium gleich auch noch mit. Das kommt beim Publikum an. Ob das auch Orchestermusiker begeistert, darf man bezweifeln. Und leider neigt die Dirigentin auch zu einer starken Kontrolle: Sie dirigiert wirklich alles, statt die Musikerinnen und Musiker auch einmal frei spielen zu lassen, was eine besondere Stärke des Bayerischen Staatsorchesters ist.

Nach der Pause folgte Peter Tschaikowskys vielgespielte Symphonie Nr. 6, die "Pathétique". Hier löste die Dirigentin wirklich ein, was viele ihrer Kollegen in Interviews versprechen, aber letztendlich im Rausch des Augenblicks dann doch nicht einlösen: die Betonung der Noblesse dieser Musik.
Eine Neigung zur Überkontrolle
Wie schon in der "Linzer" wirkte auch hier die Musik blank geputzt und von Routine befreit. Im ersten Satz entwickelte sich die tragische Zuspitzung allerdings nicht wirklich konsequent aus der Musik heraus. Der melancholisch-fahle Mittelteil des Walzersatzes wirkte eine Spur bemüht. Den Marsch steigerte die Dirigentin effektvoll, aber ohne jenen doppelten Boden, der die Katastrophe des langsamen Finalsatzes vorbereiten müsste.

Die Ausnüchterung Tschaikowskys hat viel für sich, das Bemühen um Transparenz ebenfalls. Und es ist durchaus richtig, die Trauer der Musik nicht noch einmal mitzuweinen. Trotzdem fehlte etwas, und sei es ein übergreifendes interpretatorisches Konzept zur Verdeutlichung dessen, was die vier sehr gegensätzlichen Sätze dieser Symphonie zusammenhält. Daher wirkte die Aufführung eine Spur zu didaktisch. Und das mag kritischer klingen, als es gemeint ist. Dirigierende Tschaikowsky-Routiniers gibt es mehr als genug. Joana Mallwitz riskiert etwas: einen subjektiven, mit großer Konsequenz durchgeführten Ansatz. Und da ist man geneigt, ihr das Schattenboxen auf dem Podium nachzusehen, das sie gratis mitliefert.

Eine Sternstunde, wie bisweilen superlativistisch zu hören, war dieser Abend nicht. Ein sehr ordentliches Konzert aber auf jeden Fall. Ob Mallwitz eine Generalmusikdirektorin ist? Jede Aufführung ist immer nur eine Momentaufnahme. Für ein eingehendes Urteil müsste man auch weniger konventionelle Programme von ihr hören - nicht nur Mozart und Tschaikowsky. Noch wichtiger wäre allerdings die Meinung von Musikern, die mit ihren Tänzen und der Neigung zur Über-Kontrolle arbeiten müssten.
Beim Dok.Fest München wird am 5. Mai der Film "Joana Mallwitz - Momentum" im Deutschen Theater gezeigt (D, 2024, 88 Min)