AZ-Kritik zu Gipsy Kings in München: Riesige Party aus Salsa und Flamenco

Es war einmal ein Musikant, der hatte fünf Söhne. Sie hießen Nicolas, Paul, Canut, Patchaï und André. Er schenkte allen Fünfen eine eigene Gitarre, bald musizierten sie gemeinsam auf Hochzeiten, Taufen, Festivals und Straßenauftritten in Südfrankreich. Eines Abends fragte der Vater: "Ei, ei, was dauert mich die Tingelei. Nehmt Blatt und Bleistift mit, wir schreiben einen Hit!" Die Söhne antworteten: "Au ja, Papa, dann sind wir reich! Dann leben wir gleich einem Scheich!" Sie schrieben und komponierten, als gäbe es kein Morgen. Doch nichts geschah. Da riefen die Brüder: "Wir sind des Tingelns leid, sag, wann ist es so weit?" Da sprach der Vater: "Bekommen wir nicht all das Geld, schaukeln wir halt weiter durch die Welt." So ging es viele Jahre. Dann starb der Vater, die Brüder trauerten und schrieben ihrem alten Herrn ein Lied: "Schaukeln, schlendern, schweben, weil ich find, so kann man leben." Da sie viele Sprachen konnten, sangen sie es auf Spanisch: "Bamboleio, bamboleia. Porque mi vida yo la prefiero vivir así." Dazu komponierten sie mit den befreundeten Brüdern Diego, Paco und Tonino eine feine Melodie und nannten sich "Könige der Strawanzer". Da sie noch mehr Sprachen konnten, übersetzten sie den Bandnamen ins Englische und nannten sich die "Gipsy Kings". Rasch wurde der Song ein Welthit, den ein paar Jahre später sogar einmal Helge Schneider in einem Lied thematisierte. Die Gipsy Kings waren ganz oben angekommen. Dies zur Legende.
Gipsy Kings im Circus Krone: Wie eine südamerikanische Combo in einem Nachtclub
Der Abend im Circus Krone beginnt leise und hochmusikalisch mit dem Songwriter C. B. Green aus Neuburg an der Donau. Er selbst bezeichnet seinen Stil als "Acoustic Pop", konzentriert sich auf das Wesentliche und trägt gefühlvoll und mit feiner, hoher, charismatischer Stimme ans Herz gehende Lieder vor. Ebenso zurückhaltend geht es weiter mit den Gipsy Kings. Zehn Herren in verschiedenen Altersklassen begeben sich entspannt hinter ihre Instrumente und bedienen diese hoch konzentriert und gekonnt. Manchmal animiert einer von ihnen das Publikum zum stakkatoartigen Schnellklatschen, doch die Band bewegt sich kaum. Wie ein klassisches Orchester oder eine südamerikanische Combo in einem Nachtclub wird eine hohe musikalische Dichte erzeugt, jeder einzelne ist virtuos und extrem tight, bemerkenswert ist die Synchronität der Musiker.
Das Münchner Publikum feiert Gründungsmitglied Nicolas Reyes
Rasch fällt auf, dass sich alles in erster Linie um das Gründungsmitglied Nicolas Reyes dreht, eine graue Eminenz, dessen Stimme die 1980er begleitete wie Sting und Wolfgang Ambros. "Baila, Baila" und "Volare" (das möglicherweise meist gesungene Lied der Welt) stammten von den Gipsy Kings und durften auf keiner Fete fehlen. Nicolas Reyes ist der Caudillo, der Boss der Gruppe, die mittlerweile größtenteils aus Familienmitgliedern jüngerer Generationen besteht. Sein Gesang ist nicht immer sicher, was aber nicht stört, da die Leidenschaft und das stimmliche Temperament jene glühenden Emotionen auslöst, die die Fans brauchen. Der Saal brodelt schon bei den ersten Nummern, bewusst werden die großen Hits erst ganz zum Schluss gespielt.

Vereinzelt wird im Publikum mitgefilmt, manchmal vergessen die Filmenden aus Versehen, ihre Taschenlampen während des Drehens auszuschalten, was die Securities in Aufruhr versetzt. Immer wieder rennen hektische Sicherheitskräfte durch die Reihen und bedeuten mit fuchtelndem Gestikulieren und aufgebrachtem Winken, doch das grelle Licht der Smartphones wieder auszuschalten. Doch das trübt die Stimmung keineswegs.
Eine riesige Party aus Salsa, Flamenco, Kastagnetten, Weltmusik und Percussion
Nach etwa einer halben Stunde erheben sich Einzelne, um zu schwofen. Bald werden es mehr, irgendwann stehen alle, es wird gejubelt und gejauchzt. Die Bühnenshow entwickelt sich dynamisch mit der Publikumsekstase, nun tanzen auch die Musiker zu ihren eingängigen Weisen. Je mehr die Meute ausflippt, desto lebendiger werden die Gipsy Kings. Einem der Gitarristen reißt sogar eine Saite. Flugs wird ein anderes Instrument herbeigeschafft. Der Circus Krone verwandelt sich in eine riesige Party aus Salsa, Flamenco, Kastagnetten, Weltmusik und Percussion, im Mittelpunkt Nicolas Reyes, der sich feiern lässt wie Ray Charles oder Mikis Theodorakis; er ist ein wirklich glaubwürdiger, sympathischer, faszinierender Mann, der es versteht, seine Truppe über so viele Jahrzehnte auf Zack zu halten und dem Münchner Publikum einen wahrhaft leidenschaftlichen Abend voller Wohlklang und innerem Feuer zu bescheren.