Kritik

AZ-Kritik zu Deichkind in München: Das Ballermann-Ballett

Party-Gewitter in der Olympiahalle. Beim Deichkind-Konzert in München waren am Ende alle nass. Schweiß, Regen und Bier vermischten sich zu einer wilden Sause. Die AZ war dabei.
von  Christoph Streicher
Funky Kostüme und tanzfreudige Beats: Deichkind in der Olympiahalle.
Funky Kostüme und tanzfreudige Beats: Deichkind in der Olympiahalle. © Jens Niering

München – Trampoline auf der Bühne, bizarre Kostüme und ein überdimensionales fahrendes Fass im Publikum, auf das alle Münchner Brauereien sicher neidisch wären. Das klingt nach Kindergeburtstag für Erwachsene, war aber das Deichkind-Konzert in der Olympiahalle.

Die Techno-Rapper legten auf die 30 Grad Außentemperatur noch ein paar Celsius drauf und präsentierten ihr achtes Album "Neues vom Dauerzustand". Mit einer ganzen Menge "Krawall und Remmidemmi", aber auch ein paar ernsten Inhalten feierten die Nordlichter eine wilde Party. Die AZ hat sich die verschwitzte Sause angeschaut.

Deichkind live in der Olympiahalle: Sänger und MC Philipp Grütering sorgt für Stimmung.
Deichkind live in der Olympiahalle: Sänger und MC Philipp Grütering sorgt für Stimmung. © Jens Niering

Deichkind Konzert in München – Kein Krawall, viel Remmidemmi 

Als die Hallenlichter am Ende angingen, wussten manche Fans gar nicht so genau, wo sie sich gerade befanden. Die einen pflückten Daunenfedern aus den Haaren vom Nachbarn. Einige mussten ihre Shirts auswringen, in der sich eine Menge Bier und Schweiß gesammelt hatte. Andere suchten ihre Konzert-Begleitung, die während der zwei Stunden zuvor bei der anarchistischen Theatershow mit Kirmes-Techno abhandengekommen waren.

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Auf dem Teufelsrad mit Kirmes-Techno: Deichkind in München

Eine Mischung aus Tanzstunden am Ballermann, Überfall auf einen Lampen-Laden und wilden Runden auf dem Teufelsrad waren auf die Olympiahalle eingeprasselt. Man fühlte sich wie im verrückten Fahrgeschäft auf dem Oktoberfest. Immer wieder warfen die Bandmitglieder Kryptik Joe, Porky und der Münchner Roger Rekless Schlauchboote, Luftschlangen und Bier in die Masse. Wer ausweichen konnte, wurde aber spätestens von den mitgrölbaren Hits "Bück dich hoch" oder "Leider geil" in den Strudel der Party gerissen.

Die wilden Beats hämmerten durch Mark und Bein und nach dem zehnten Kostümwechsel der Band verlor man Raum- und Zeitgefühl. Irgendwann schrie jeder "Arbeit nervt" oder hatte das "Limit" schon lange erreicht.

Trotz Party-Hits: Deichkind haben immer einen Blick auf den Zeitgeist

Aber jetzt mal kurz durchpusten abseits der Party vom Ballermann-Ballett. Die erste Hälfte war ganz Deichkind-like eher Kunstaufführung. Die Hits vom neuen Album wurden ausgepackt und noch sprang der Party-Funken nicht ganz über. Spannend in dieser frühen Phase vom Deichkind-Konzert war der Blick vom Kollektiv auf den Zeitgeist und die textliche Finesse dazu.

Die Deichkind-Gang sorgt für ekstatische Partystimmung in der Olympiahalle.
Die Deichkind-Gang sorgt für ekstatische Partystimmung in der Olympiahalle. © Jens Niering

 

Bei "Auch im Bentley wird geweint" ging es um die Dekadenz der Superreichen. "In der Natur" beschäftigte sich in Jodel-Klängen mit dem Klimawandel. Und als Kryptic Joe als Berufsjugendlicher in "Kids in meinem Alter" berichtete, wie früher eine Wohnung zum Preis von 500 Euro zu haben war, horchte die Mietpreis-gebeutelte Party-Masse mal kurz genauer hin. 

Die MVG ist im Deichkind-Fieber

Auch das Social-Media-Team der MVG war im Deichkind-Fieber. Sie musste tausende Fans trotz Bauarbeiten und Schienenersatzverkehr ans Olympia-Gelände bringen. Sie posteten vorab auf den Sozialen Netzwerken einen Hinweis, der mit Songtiteln der Band gespickt war: "Aktuell ist auf der U3/U6 gerade Krawall und Remmidemmi, denn wir denken groß", hieß es da.

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Den meisten Fans gefiel es und so war schon vor dem Start die Laune auf dem Siedepunkt. Auch das heranziehende Gewitter, das den Einlass etwas verzögerte, tat dem keinen Abbruch. Abriss, Reizüberflutung und viel Yippie Yeah dann beim verrücktesten Hit "Krawall und Remmidemmi". Am Ende war es aber doch gut, dass der wilde Ritt kein Dauerzustand war. Das hält doch keiner länger aus als nötig auf so einem Teufelsrad des Klamauks.

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