AZ-Kritik: David Garrett in der Olympiahalle
Der Stargeiger David Garrett spielt „Rock Anthems“ in der Olympiahalle und wickelt sein Publikum um den Finger.
Suchscheinwerfer, grollendes Orchester, der rote Vorhang fällt. „Welcome To The Jungle“ ist’s, das David Garrett vom Podest rockt. Mit Band und der Neuen Philharmonie Frankfurt. Stroboskop, zerebrale Videoanimationen. Im Hintergrund tanzen Rockmiezen.
„Rock Anthems“ bringt der Geiger aus Aachen hier in die Olympiahalle. Und das ist von allem ein bisschen. „Crossover“, wie der Entertainer sagt, der zwischen den Nummern mal launig plaudert, mal einfach nur eine Geschichte nutzt, um mit dem Foto seines Sportwagens in New York anzugeben.
„Smells Like Teen Spirit“, irgendwann einmal suizidal gelangweilte Grenzgängerhymne mit brutal träger Verachtung, ist hier orchestral glattgerockt zum rhythmisch Mitnicken. Und Garrett, Paganinis Nachfolger von eigenen Gnaden schwebt an Seilen über dem Publikum. Das Scherzo aus Beethovens Neunter, Corelli-Variationen als Virtuosenelement – so gut verdaulich ist diese Klassik. Zu Oasis „Stop Crying Your Heart Out“ vibriert sich Garrett auf dem Kuschelsofa sitzend an eine blonde Dame heran, die aus dem Publikum gebeten wurde. Ihr ist das ersichtlich zu viel göttliche Nähe. Muss man Garrett-Fans sagen, dass hier ein Zweitverwerter Music zu Muzak macht? Jugend hier künstliche Patina hat?
Nein, hier will man das Gefühl, das gute. Will cool fliegende Flammenbälle bei „Live And Let Die“. Will mit David Kinderfotos gucken bei „Yesterday“. Will Italo-Rock-Glitter-Party bei „Funiculi Funicula“. Und vielleicht will man tatsächlich bei Billy Joels „Leningrad“ auf Videoleinwand eine orthodoxe Kirche sehen, deren Pforte sich öffnet, um den Blick auf diesen Geigenposerengel freizugeben. Leise rieselt digital animierter Schnee. So schön war er, der Kalte Krieg.