Interview

Augustin Hadelich: Heutig und emotional

Augustin Hadelich über das Violinkonzert "Concentric Paths" von Thomas Adès.
von  Marco Frei
Der Geiger Augustin Hadelich eröffnet mit den Münchner Philharmonikern ein Festival zum Thema "Kosmos Erde".
Der Geiger Augustin Hadelich eröffnet mit den Münchner Philharmonikern ein Festival zum Thema "Kosmos Erde". © Suxiao Yang

Das diesjährige Festival "MPhil 360 Grad" der Münchner Philharmoniker ist eine experimentierfreudige Spielwiese mit neuartigen Formaten und unkonventionellen Programmen. Am Freitag, Samstag und Sonntag spielt Augustin Hadelich mit dem Orchester unter Krzysztof Urbanski das 2005 komponierte Violinkonzert "Concentric Paths" von Thomas Adès.

AZ-INTERVIEW mit Augustin Hadelich: Geboren 1984 in Cecina (Italien). Zuletzt nahm er mit dem Symphonieorchester des BR unter Jakub Hru(s)a das Dvorák-Konzert auf.
AZ-INTERVIEW mit Augustin Hadelich: Geboren 1984 in Cecina (Italien). Zuletzt nahm er mit dem Symphonieorchester des BR unter Jakub Hru(s)a das Dvorák-Konzert auf. © Suxiao Yang

AZ: Herr Hadelich, was ist der besondere "Hadelich-Klang"? Oder gibt es den gar nicht?
AUGUSTIN HADELICH: Gute Frage! Mir ist es sehr wichtig, den Klang, die Artikulation - also alle Aspekte des Spiels dem jeweiligen Werk anzupassen. Bei manchen Aufnahmen geht es mir persönlich etwas auf die Nerven, wenn manche Künstler immer so wie sie selbst klingen. Ich möchte keine Namen nennen, aber Sie wissen, was und wen ich meine. Das kann ganz toll klingen, aber es geht um sie selber und nicht um das jeweilige Stück oder die Komponisten. Ich gebe mir schon Mühe, viele Aspekte zu variieren. Auch das Instrument hat Einfluss auf den Klang.

Augustin Hadelich über ""Concentric Paths": "Ich habe es 2011 einstudiert"

Sie meinen Ihre Stradivari von 1723?
Ja, auf der CD "Bohemian Tales" habe ich das Dvorák-Konzert noch auf der Stradivari gespielt. Alle anderen Werke sind schon mit der jetzigen Guarneri del Gesù von 1744 entstanden. Die Stradivari hatte nicht den richtig satten, warmen, runden Klang. Sie hatte andere große Stärken, nämlich die Klarheit und Transparenz. Es gibt Stücke, da bin ich froh, sie auf der neuen Violine zu spielen - weil sie noch andere Möglichkeiten eröffnet. Für gewisse Werke, zum Beispiel Jean Sibelius, lässt sie den richtigen Klang besser finden.

Mit den Münchner Philharmonikern interpretieren Sie jetzt das Violinkonzert "Concentric Paths" von Thomas Adès aus dem Jahr 2005. Was interessiert Sie daran?
Weil ich es sehr gerne spiele. Ich habe es 2011 einstudiert. Es ist ein außergewöhnlich gutes Konzert unter den zeitgenössischen Werken. Allein der zweite Satz hat eine tiefe Emotionalität. Er ist sehr komplex, aber es gelingt Adès, in einer Klangsprache zu schreiben, die wirklich berührt. Bei mir klingt der Satz nach einer Aufführung immer sehr lange nach. Der Satz ist eine Passacaglia.

Seit dem "Lamento der Dido" aus der bis 1688 entstanden Oper "Dido and Aeneas" von Henry Purcell steht die Passacaglia mit ihrem ostinaten Bass für Trauer und Klage. Gilt das auch für Adès?
Ja, der Satz hat etwas Klagendes, Schmerzvolles. Es geht in dem Werk um "Konzentrische Pfade" oder Kreise. Im zweiten Satz ist dieser Kreis die Passacaglia. Es klingt so, als ob sich das Stück immer weiterdrehen würde. In der ersten Hälfte des Satzes wird eine Spannung aufgebaut bis zum Moment der Entspannung. Zuvor ist der erste Satz kaleidoskopisch und sehr farbenfroh. Er erinnert an den ersten Satz aus dem Violinkonzert von György Ligeti oder an Minimalismus, ist extrem hoch und virtuos - wie ein Seiltänzer in höchster Höhe. Was mich an Adès fasziniert, ist, dass er stilistisch eine Möglichkeit findet, eine Musik zu komponieren, wie man sie lange nicht schreiben durfte.

Wie meinen Sie das?
Eine zeitgenössische Musik, in der es tonale Harmonien und gefühlvolle Melodien gibt. Das gelingt Adès, ohne ins Sentimentale, Seichte abzudriften. Es fühlt sich auch nicht an wie eine Imitation anderer Stile. Auch wenn man Einflüsse und Inspirationen erkennen kann, bleibt es ein Stück, das im Heute entstanden ist. Es ist eine eigene Synthese aus vielen stilistisch unterschiedlichen Elementen. Bei der Musik von Adès bleibt stets etwas hängen, auch emotional. Das ist nicht bei allen zeitgenössischen Werken der Fall.

Die Konzerte mit Hadelich finden am 24. (20 Uhr), 25. (19 Uhr) und 26. Juni (11 Uhr) in der Isarphilharmonie statt. Karten und Infos unter mphil.de

Konzerte und Diskussionen über Nachhaltigkeit

Nach dem Konzert am Samstag spielt um 21.30 Uhr in der Halle E des Gasteig HP8 die Combo "MPhil Jazz". Am Sonntag begeht das Orchester einen "Tag der Nachhaltigkeit". Auf dem Gelände finden ab 18 Uhr Aktionen statt, am Nachmittag gibt es Podiumsdiskussionen zur Gasteig-Sanierung und zum Thema "Orchestertourneen in Zeiten des Klimawandels". Um 18 Uhr folgt Haydns "Schöpfung", zu der Harald Lesch eigene Texte liest. Infos unter mphil.de/mphil360

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.