Auf der Höhe seiner Kunst

Eric Claptons legendäre Konzerte in der Royal Albert Hall aus dem Jahr 1990 sind nun auf sechs CDs zu hören
Dominik Petzold
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Eric Clapton
Waner/Carl Studna Eric Clapton

In den Jahren um 1990 war Eric Claptons Leben höchst kompliziert. Er kämpfte darum, nüchtern zu bleiben. Wenn er sich um seinen kleinen Sohn kümmern sollte, fühlte er sich selbst wie ein Kind. Er hatte an der Tragödie zu knabbern, dass Gitarren-Kollege Stevie Ray Vaughan nach einem gemeinsamen Gig bei einem Helikopterabsturz starb - Clapton war in eine andere Maschine gestiegen. Und dann hatte er auch noch lange Liebeskummer wegen Carla Bruni: Er hatte den Fehler gemacht, seine blutjunge Model-Freundin Mick Jagger vorzustellen - schwupps, schon hatte die einen neuen Rockstar-Freund.

Sein Leben war ein rechtes Kuddelmuddel, wie er in seiner Autobiographie schreibt, dabei liebt er doch die Konstanz, das Regelmäßige. Und das fand er in jener Zeit immerhin in seinen Konzerten in der Royal Albert Hall. Seit Mitte der Achtziger war Clapton dort jedes Jahr aufgetreten, und 1990 übernahm er Englands berühmteste Konzerthalle im Januar fast vollständig: Er spielte dort 18 Mal - und im Januar 1991 darauf setzte er noch einen drauf, mit 24 Auftritten.

Der Clou war, dass er den Fans bei diesen Konzertreihen drei verschiedene Shows bot: sein übliches Rockkonzert, eine Show mit Rockband plus Orchester und einen reinen Blues-Abend. In dem nun erschienenen Boxset "The Definitive 24 Nights" kann man sich diese drei Shows auf sechs CDs oder acht LPs anhören und zusätzlich auf drei BluRays ansehen.

Dafür wurden jeweils die Highlights der Konzerte aus den Jahren 1990 und 1991 zusammengestellt. 1991 war schon das Live-Doppelalbum "24 Nights" erschienen, kurioserweise fehlen auf dem Boxset zwei der damaligen Aufnahmen, dafür gibt es 35 bislang unveröffentlichte Mitschnitte. Das sehr schön aufgemachte Boxset mit dem wunderbaren Cover-Bild von Peter Blake und einem illustrierten Buch hat natürlich seinen Preis, dafür gibt es die drei Programme "Rock", "Blues" und "Orchestral" auch einzeln und somit deutlich günstiger zu kaufen. Allerdings dürfte die Wahl schwerfallen: Alle haben ihren Reiz - denn Clapton präsentierte sich in diesen Nächten auf der Höhe seiner Kunst.

So wird beim Rockkonzert vollkommen klar, wieso Clapton im Lauf seiner Karriere vom Gitarren-Helden zum Rock-Superstar wurde. Das lag auch an seiner Entwicklung als Sänger: Zu Beginn seiner Karriere, bei den Yardbirds und John Mayall's Bluesbreakers, spielte er nur Gitarre, bei Cream sang er wenig und auch auf seinem ersten Solo-Album noch eher zaghaft. Doch bis 1990 hatte er sich längst - was vor lauter Gitarrenheldentum gern mal übersehen wird - zu einem fantastischen Sänger entwickelt: mit wunderbarem Timbre, extrem viel Gefühl und totaler Stimmkontrolle.


Außerdem war er wie stets in seiner Karriere clever genug, sich mit mindestens ebenbürtigen Musikern zu umgeben: Anfang der Neunziger waren darunter Bassist Nathan East und Michael-Jackson-Keyboarder Greg Phillinganes, die beide auch großartige Sänger waren und dafür ihren Raum erhielten. Ein spektakuläres Highlight der Show war "Can't Find My Way Home", eine Komposition von Claptons altem "Blind Faith"-Partner Steve Winwood, die hier Nathan East im Falsett sang.

Auch sonst hatte Clapton ein tolles Repertoire zusammengetragen, von dem er nur den kleineren Teil selbst geschrieben hatte. Unter den damals neuen Songs waren zwar unspektakuläre wie "Pretending" und "Running On Faith", aber auch schöne wie die bluesige Ballade "Old Love". Am besten waren aber die alten Kracher wie "Layla" und die Cream-Nummern mit ihren irrwitzigen, genialen Ginger-Baker-Beats: "White Room" und "Sunshine Of Your Love", das nie besser geklungen haben dürfte als hier.

Und apropos Schlagzeug: Bei Bob Marleys "I Shot The Sheriff" setzte sich einer der damals berühmtesten Sänger der Welt, Phil Collins, als Gastmusiker stumm auf den Hocker und trommelte auf Spitzenniveau. Bei dem Orchesterkonzert wurden diese Klassiker von einer neunköpfigen Band plus Orchester unter Leitung von Michael Kamen gespielt. Es gibt auch weitere Überschneidungen zum Rockkonzert wie das schöne "Wonderful Tonight" und "Can't Find My Way Home", das hier noch beeindruckender klingt. Aber die Hälfte des Sets bot andere Stücke: darunter Instrumentals wie "Edge Of Darkness", das Clapton und Kamen als Soundtrack für die gleichnamige BBC-Serie geschrieben hatten, und das hier erstmals veröffentlichte, 30-minütige "Concerto For Electric Guitar":

Das hatte Dirigent Michael Kamen Clapton auf den Leib respektive die Finger geschrieben, und es dürfte in erster Linie Liebhaber von Formaten wie "Rock Meets Classic" ansprechen. Meist aber ist das Orchester passende Erweiterung der Rockband, mal ganz dezent wie bei "Lay Down Sally", mal volltönend beim Blues "Crossroads". Und richtig brillant fügt sich alles bei "Bell Bottom Blues" zusammen - dem Highlight des Orchesterkonzerts.


Eine komplett andere Angelegenheit ist das Blueskonzert. Hier lud Clapton in beiden Jahren berühmte US-Blueser mehrerer Generationen nach London, darunter Jimmie Vaughan und Robert Cray. Clapton stellte sich auf der Bühne weitgehend in die zweite Reihe und jammte mit seinen Kollegen und Vorbildern. Der Mitschnitt ist naturgemäß für Hörer geeignet, die es mit dem Blues halten. Allen anderen demonstriert er, wie abwechslungsreich es innerhalb der zwölf Takte zugehen kann: Buddy Guy kaperte die Bühne immer mal wieder vollständig, bei "My Time After A While" legte er eine ausdauernde wild-komödiantische Nummer hin. Knackiger kommt Albert Collins' starkes, funkiges "Black Cat Bone" daher, und besonders beeindruckend ist das Feeling in den Fingern des Pianisten und Chuck-Berry-Partners Johnnie Johnson.

Eric Clapton spielte nach diesen Konzertreihen noch viele weitere Male in seiner geliebten Royal Albert Hall, im Mai 2024 stehen schon wieder fünf Konzerte an. Insgesamt hat er dort seit 1964 über 200 Mal gespielt. "The Definitive 24 Nights" zeigt, dass viele der besten Konzerte wohl in den Jahren 1990 und 1991 stattgefunden haben.

Eric Clapton. "The Definitive 24 Nights" (6-CD/3-Blu-ray und 8-LP/3 Blu-Ray), außerdem "24 Nights: Rock", "24 Nights: Blues" und "24 Nights: Orchestral", jeweils als 2-CD/DVD oder Doppel-LP (bei Warner)

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