Kritik

Arctic Monkeys im Zenith: Einer der großartigsten Abende aller Zeiten

Die vierköpfige Alternative-Rock-Band Arctic Monkeys spielte für die Münchner Fans einen Hit nach dem anderen und sorgt damit für ein unvergessliches Konzert-Erlebnis. Die Konzertkritik aus dem Zenith.
von  Moses Wolff
Sänger und Gitarrist Alex Turner.
Sänger und Gitarrist Alex Turner. © Jens Niering

Geheimnisvoll wummern tiefe Bässe in die Körper der vor Aufregung vibrierenden Fans. Aus dem Dunkel tritt eine Gestalt ins diffuse Bühnenlicht. Er trägt eine Sonnenbrille, brünettes Haar umschmeichelt entspannt sein attraktives, unergründliches Antlitz. Das Pochen des Basses vermischt sich mit den Herzschlägen des Publikums. Denn allen ist klar: dies ist kein gewöhnliches Konzert.

Dies ist keine alltägliche Band. Und dies ist kein unbedeutender Mann. Im Gegenteil: Hier steht kein Geringerer als der größte Rock'n'Roller unserer Zeit. Sein Name ist Alex Turner. Seine Band sind die Arctic Monkeys.

Die Arctic Monkeys rauben ihren Fans den Atem

Schlagzeuger Matt Helders nimmt hinter seinem Drumset Platz. Die Sticks liegen wie Jonglierbälle in seinen Händen. Wie ein Dompteur bändigt er Snair und Becken, auch er ist die Verkörperung von Lässigkeit und raubt den Menschen vor der Bühne den Atem.

Diese Band ist mehr als pure Fleischeslust, diese Band ist das Nonplusultra an Verführung, Coolness und Sinnlichkeit, gepaart mit einem perfekt ausgeklügelten Bühnenkonzept, mysteriösen Schatten und vollendeter Licht-Nebel-Kombination, damit alle Zuschauer, egal ob sie im vorderen oder hinteren Bereich der Halle stehen, in den absoluten Genuss des dargebotenen Augenblicks kommen.

Alex Turner von den Arctic Monkeys mit seiner Gitarre.
Alex Turner von den Arctic Monkeys mit seiner Gitarre. © Jens Niering

Alex Turner: Bowie, Lennon und viele andere in einer Person

Ein zeitloser Spielfilm als musikalische Liveshow. Die treibenden Auftaktgeräusche münden im ersten Song "Sculptures Of Anything Goes".

Alex Turner neigt den Kopf leicht nach links, ein Hauch von Lächeln umschmeichelt seinen Mund, dann singt er mit seiner Stimme voller kraftvoller Zerbrechlichkeit im unverkennbaren Yorkshire-Akzent: "Wie soll ich mit meinen unfehlbaren Überzeugungen umgehen, während ich es dir reinpresse, spanisch agierend im italienischen Fernsehen, irgendwann in der Zukunft, während ich mich frage, ob deine Mutter noch jemals an mich denkt, Halleluja. Leere Leinwände an Galeriewänden zerfließen zu Skulpturen von allem was geht auf der Treppe aus Marmor. Ist dieses vage Gefühl der Sehnsucht ein Versuch, etwas zu inszenieren?"

Die Livekamera bannt das Gesicht des Sängers in voller Größe auf die Leinwände, er ist Bon Scott, David Bowie, Jim Morrison, Lou Reed, John Lennon und Iggy Pop in einer Person. Der Sound ist satt und klar. Sänger und Band liefern sich mit charmanter Zurückhaltung aus. Manchmal ist die Bühne in dunkles Rot getaucht.

Jede Nummer ist ein Hit

Die Securitymänner verteilen Wasser an die jungen Frauen in der ersten Reihe, während Leadgitarrist Jamie Cook den Raum mit unfassbaren Riffs in eine surreale Traumsequenz verwandelt. Er war das Nachbarskind von Alex Turner, ihre Eltern schenkten ihnen als sie vierzehn Jahre alt waren zu Weihnachten Gitarren, sie waren zwei britische Lausbuben und brachten sich selbst, wenn ihnen mal keine Streiche einfielen, nach und nach das Spielen auf ihren Instrumenten bei.

Irgendwann schrieben sie mit einem Schulfreund Turners ein Lied über Streber aus ihrem Jahrgang, der Song wurde nicht schlecht und sie entschieden, eine Band zu gründen. Gottlob. Ein Geschenk für die Welt! Sie erstürmten die Charts, produzierten ein fantastisches Studioalbum nach dem anderen, eine weltweit stabile Fanbase entsteht und versammelt sich auch heute im rammelvollen Zenith.

Sphärenklänge vereinen sich mit knackigen Beats

Die Übergänge von Song zu Song gelingen fabelhaft, neue Stücke mischen sich mit älteren Nummern wie Brianstorm vom zweiten Album. Dieses Lied hat keinen Refrain und handelt nach Aussagen der Band von einem jungen Herrn namens Brian, den sie einst in Tokio nach einer Show kennengelernt hatten und jeder einen anderen Eindruck von ihm hatte.

Soul trifft auf Postpunk, Sphärenklänge vereinen sich mit knackigen Beats, geheimnisvolle Texte mischen sich mit hochemotionaler Lyrik. Generell ist jede Nummer der Arctic Monkeys ein Hit, unüberhörbar ihre Entwicklung von einer respektablen Indieband zum Aushängeschild packender Vollkommenheit. Hinzu kommt jede nonchalante und oft hintergründig aus dem Ärmel geschüttelte britische Heiterkeit des Sängers, die diesen Abend zu einem der großartigsten aller Zeiten macht.

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