Antonio Pappano und das Chamber Orchestra of Europe in der Isarphilharmonie: Knisterndes Spiel mit Reiz und Verweigerung

Antonio Pappano und das Chamber Orchestra of Europe in der Isarphilharmonie.
von  Michael Bastian Weiß
Der Dirigent Antonio Pappano.
Der Dirigent Antonio Pappano. © Musaccio

Einen einzigen, turnierwürdigen Tanz kann man erleben, wenn das Chamber Orchestra of Europe auf Sir Antonio Pappano trifft. Der Engländer führt so souverän wie unaufdringlich, doch in aufrechter Haltung können sich die Partner gleichberechtigt in die Augen schauen. Gibt Pappano in der Streicherserenade von Antonín Dvořák einen Impuls, scheint sich das Orchester auf der Bühne der Isarphilharmonie schwungvoll zu drehen. Die Musikerinnen und Musiker stimmen so einhellig zusammen, dass sie plastisch und flexibel auftreten wie ein einziger Körper.

In seinen "Tänzen aus Galánta" spielt Zoltán Kodály ein kompliziertes, vor Spannung knisterndes Spiel von Reizen, Verweigern und Verzögern. Dass das alles ungemein heikel zu koordinieren ist, merkt man hier nicht, wohl aber, dass sich Pappano und das Orchester mit telepathischer Sicherheit aufeinander zu bewegen, sich eng umschlingen oder stolz voneinander abstoßen. Die Soli der Holzbläser in den innehaltenden Kadenzen gehen vor gestalterischer Phantasie geradezu über, bisweilen wechselt die Artikulation von Ton zu Ton und am Schluss einer Phrase steht ein unerwartetes, dafür umso wundervolleres Pianissimo.

Janine Jansen musiziert mit Freunden, die ihr zuhören

In "Le Tombeau de Couperin" von Maurice Ravel sind die einzelnen Register von Hand koloriert. Wo manche Orchester sich ins Pauschale zurückziehen, entspinnt sich hier wahre Kammermusik. Für Janine Jansen ist das komfortabel: Sie braucht sich nicht gegen ein Orchester durchzusetzen, sondern musiziert mit Freunden, die ihr zuhören und einfühlsam auf sie eingehen.

Verleitet das im Violinkonzert Nr. 1 von Sergej Prokofjew zum Übermut? Zumindest erstaunt, wie die Geigerin mit einem intonatorischen Hautgout einsetzt, bei schnellen Passagen die Töne verwischt und überhaupt das gesangliche Legato in Glissandi überführt. Sie will, soviel wird klar, die Motive möglichst plastisch zuspitzen, wie Ballettfiguren - da ist es wieder, das Tanzmotiv. Wenn Janine Jansen zwischendurch ein wenig loslässt, scheint der natürliche, atmende Geigenton wieder auf, den man von ihr gewohnt ist. Das Ende ist dann wieder exzentrisch. Eine so gewagte Interpretation würde überzeugender wirken, wenn sich ein Prozess nachvollziehen ließe: Von der Überspannung hin zur Ausgeglichenheit, zum Beispiel.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.