Antoine Tamestit und Daniel Harding mit dem Viola-Konzert von Jörg Widmann

In zeitgenössischen Konzerten zappelt der Solist fast immer hilflos an den Gängelbändern des Komponisten-Gottes. Damit er keinen Unfug treibt, wird er vorsichtshalber meist mit weiteren Instrumenten umstellt. Und dann jagt ihn eine Hundertschaft Orchestermusiker lautstark durch den Saal.
Von solchen Avantgarde-Routinen unterscheidet sich Jörg Widmanns neues Konzert für Viola angenehm. Vermutlich, weil der Komponist selbst als Solist auf der Klarinette auftritt und seinen Musiker-Kollegen einen gewissen Gestaltungsspielraum zutraut. Geschrieben hat er es für Antoine Tamestit, der im Oktober die Uraufführung in Paris gespielt hat und nun im Herkulessaal mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks die deutsche Erstaufführung übernahm.
Am Beginn klopft Tamestit freundlich bei den Musikern an: mit den Fingern auf den Kinnhalter und den Korpus seiner Bratsche. Dann wurde er in den Klangraum eingelassen. Dort ließ er seine Bratsche meist mit Instrumenten der noch tieferen Lage flirten: erst mit Bass-Flöte, der Bass-Klarinette und zuletzt der Tuba, die ihn zusammen mit der achtköpfigen Kontrabass-Gruppe brüsk zurückwies: ein heiterer Moment, die große Rarität in der Sphäre der Neuen Musik.
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In Widmanns Konzert darf der Solist viele Soli mit eigenem Ausdruck verbinden. Die szenischen Elemente ergeben sich zwanglos. Die durchaus traditionelle und dankbare Virtuosität wirkt nicht aufgesetzt. Am Ende vereint sich der Solist mit der fast solistisch besetzten Streichergruppe zu einer zuckersüßen Serenade. Aber ein paar Schattierungen sorgen dafür, dass sie doch nicht kitschig wirkt.
Edward Elgars Symphonie Nr. 2 in Es-Dur hatte es danach schwer. Wegen ihrer geharnischten Instrumentierung eignet sich das um 1910 komponierte Werk ohnehin kaum für den Herkulessaal. Da kann auch ein auf Transparenz bedachter Dirigent wie Daniel Harding nicht viel machen. Die elegischen Passagen dieser Symphonie sind reizvoll, der übermächtige Rest ist leeres Dröhnen. Wenn Elgar seine symphonische Pflicht lustlos und gequält erfüllt, bleibt dem Hörer nur eins: die Augen schließen und an England denken.
Bis 11. März als Konzert on demand auf www.br-klassik.de