Anne-Sophie Mutter spielt mit ihren Schützlingen Bach, Previn und Vivaldi
Sie ist seit Jahrzehnten eine der Leitwölfinnen der Klassik. So ist es nur konsequent, dass Anne-Sophie Mutter eine Stiftung hat, die Klassik-Virtuosen heranzieht: ganz uneitel „Mutters Virtuosi“ genannt. Die standen also mit der Geigen-Ikone zusammen auf der Bühne der restlos ausverkauften Philharmonie. Das Publikum war aus ganz Süddeutschland angereist, dabei angenehm diszipliniert und als Fan-Club angemessen aufgebrezelt – und am Ende natürlich zu dreimaligen Standing Ovations bereit für die kühle blonde, große Frau im schulterfreien rosa Schleppenkleid – gold bestickt.
Voll, klar, kühl – und dann doch zum großen Gefühl
Das Konzert begann mit einer gegenseitigen Hommage: mit einem Nonett von André Previn, das er 2015 für seine Ex-Frau Anne-Sophie und ihre Virtuosi schrieb. Und Mutter stellte es als liebevolle Geste an ihre gemeinsame Vergangenheit an den Anfang.
Akustisch erinnert die Komposition in ihrer unriskanten Moderne an eine Mischung aus Strawinsky mit eingestreuten spätromantischen Motiven von Mahler bis hin zu Anklängen an Zigeunermusik. Dafür standen sich zwei Streichquartette V-förmig gegenüber mit einem verbindenden Kontrabass am Scheitelpunkt.
Aber das Stück nutzte diese Spiegelung nicht für musikalische Pingpong-Spiele, sondern für ein spannendes Ineinandergreifen. Bei den scharfen Einwürfen zeigte sich – bei aller musikalischen Gleichberechtigung der Streicher –, dass Anne-Sophie Mutters Erste Geige letztlich dominierte. Das galt selbst im dampflokomotivisch schnellen Schlussteil, der akustisch an eine gemeinsame Russlandreise erinnerte.
Die ganze Größe des Könnens von Anne-Sophie Mutter erleuchtete dann das folgende Konzert für zwei Violinen, Streicher und Basso continuo (BWV 1043) von Johann Sebastian Bach. Um ihren Stipendiaten Raum zu geben, wechselte in jedem der drei Sätze eine der Virtuosi-Geigerinnen nach vorne als Gegenpart zu Mutter.
Und hier konnte man hören, wie die gemeißelt klaren Läufe, der harte Glanzton Mutters sich immer durchsetzt und weit ausstrahlt. Mutter setzt bei dieser Barockmusik beim Spiel ihrer Stradivari nur wenig Vibrato ein, ohne aber jemals nur einen Hauch von historischer Aufführungspraxis zuzulassen.
So bleibt ihr Ton voll, klar – und kühl. Aber was diese elegante, komplex verzahnte Musik von Bach zu größter Schönheit führt, schafft – nach der Pause – in Vivaldis schwelgerisch erzählenden „Vier Jahreszeiten“ eine Sterilität, die den Zuhörer eindruckslos zurücklässt. Als aber Anne-Sophie Mutter eine letzte Zugabe den Opfern der Anschläge von Brüssel widmet, bekommt ihre gefühlt trauernde Air aus der dritten Orchestersuite von Bach dann doch jene wunderbare Wärme ohne jede Sentimentalität, die den Zuschauer tief bewegt.
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