Kritik

"Anka Kusu" in der Isarphilharmonie: Süden und Norden

Das Klavierkonzert "Anka Kusu" von Fazil Say und viel Sibelius in der Isarphilharmonie.
von  Robert Braunmüller
Lucas und Arthur Jussen zupfen an den Saiten im Klavierkorpus, John Storgårds dirigiert die Münchner Philharmoniker.
Lucas und Arthur Jussen zupfen an den Saiten im Klavierkorpus, John Storgårds dirigiert die Münchner Philharmoniker. © Tobias Hase / mphil

Beim Anblick von Lucas und Arthur Jussen, kann einem schwindlig werden, als habe man ein Gläschen zuviel erwischt. Wenn die Brüder - keine Zwillinge - nebeneinander vierhändig Klavier spielen, wirkt das, als sähe man doppelt. Denn die beiden sind sich zum Verwechseln ähnlich. Und wenn der eine Bruder erst den anderen verdeckt und der andere aus ihm scheinbar herauswächst, reibt man sich auch nüchtern kurz die Augen.

Diese Doppelgänger-Natur hat Fazil Say in seinem von den Münchner Philharmonikern uraufgeführten Konzert "Anka Kuºu" kongenial umgesetzt: Das Stück über den mythologischen Vogel Phoenix betont nicht den konzertanten Dialog. Es vereint beide Pianisten zu einem Super-Klavier, das symphonisch in den Klang des nur mittelgroßen Orchesters integriert ist.

"Anka Kusu": Gesundes Miteinander von Exotischem und westlicher Klassik

Say arbeitet mit folkloristischen Material. Und das gelingt ihm überzeugender als anderen Komponisten, weil er das Exotische nicht mit dem westlichen Normalklang zu versöhnen versucht. Der komponierende Pianist stellt die Unterschiede zur westlichen Klassik mit viel Schlagzeug und einer perkussiven Behandlung des Klaviers heraus, bei der die Solisten auch mit den Händen in die Saiten greifen.

Dazu noch ist dieses Klavierkonzert auch ansprechend instrumentiert, etwa in einer langgezogenen Kantilene, die ungewöhnlicherweise eine Trompete mit einem Piccolo und der normalen Flöte zusammenbringt. Das klingt fremd und zugleich vertraut. Und natürlich ist dieses Stück Crossover. Aber eben in einer Form, die auch Crossover-Verächter wie den Berichterstatter überzeugt, weil die Verbindung der Stile keine billigen Kompromisse eingeht. Und, noch wichtiger: Weil es Spaß macht, dieses durchaus reißerische Effekte nicht verschmähende Stück von auch sehr effektvoll für das Auge spielenden Solisten aufgeführt zu sehen.

"Rheingold"-Rezeption der Helios-Ouvertüre grenzt an Plagiat

Der Rest des Abends, der die Levante in harter Fügung mit dem kühlen Norden zusammenbrachte, war leider nicht ganz so bezwingend. Die an ein Plagiat grenzende "Rheingold"-Rezeption der Helios-Ouvertüre von Carl Nielsen hat durchaus etwas Amüsantes. Aber beim späten Sibelius hört der Spaß auf, wenn diese Musik nicht mit dem Willen zur Deutlichkeit aufgeführt wird.

Leider ließ der finnische Dirigent John Storgårds die Symphonien Nr. 6 und 7 vor sich hinplätschern. Das war fatal, denn wenn die Akustik der Isarphilharmonie etwas nicht verzeiht, dann eine unentschiedene Interpretation. Die Münchner Philharmoniker entschieden sich weder für Trennschärfe noch für einen kompakten Mischklang.

Mittwoch und Donnerstag: "Prague Panoramas" von Julian Anderson

So unentschieden interpretiert und wohl auch ein wenig unterprobiert, bestätigen diese Symphonien das Vorurteil, das Spätwerk sei eine Resterampe seiner Symphonien Nr. 1 bis 5. Wenn's so wäre, könnte man sie auch sein lassen.

Am Mittwoch und Donnerstag setzen die Philharmoniker ihre "Neos"-Reihe mit der Symphonie Nr. 2 "Prague Panoramas" von Julian Anderson in der Isarphilharmonie fort. Semyon Bychkov dirigiert außerdem Dvoøáks "Aus der Neuen Welt". Infos hier.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.