Anja Harteros als Marschallin im "Rosenkavalier" von Richard Strauss
Fast ist man unwillkürlich ein wenig erleichtert, wenn doch einmal die Holzbläser ein wenig auseinanderklappen oder eine Streicherstimme in einem Tutti halb untergeht. Denn solche Vorkommnisse bringen in Erinnerung, wie diffizil die Partitur des „Rosenkavaliers“ von Richard Strauss ist; wären diese winzigen Fehler in drei Akten nicht, würde die Perfektion des Bayerischen Staatsorchesters unter Kirill Petrenko schier unheimlich wirken. Mit unüberbietbarer Geschmeidigkeit folgt dieses Spitzenensemble seinem Chef, dessen Aufmerksamkeit freilich auch keine Sekunde nachlässt.
Diese Vollkommenheit im Graben ist für Petrenko kein Selbstzweck. Er hat eine klare interpretatorische Vorstellung, die unüberhörbar an dem Musiziergestus orientiert ist, die der Komponist selbst als Dirigent seiner eigenen Werke pflegte. An erster Stelle steht der durch bewegte Tempi stets leicht gehaltene und einheitliche Fluss. In diesen werden die Details genau eingeordnet, etwa das zweifelnd mäandernde Horn im Schlussduett. Die Walzer-Auftakte verharren spannungsvoll in der Luft. Einzelne Hörer mögen bedauern, dass ihre jeweiligen Lieblingsstellen nicht auszelebriert werden. Doch die großen Bögen, die sich tragfähig über die einzelnen Akte ergeben, sind von unschätzbarem Wert.
So übernimmt Petrenko in der Staatsoper jene Regie, die der steinalten Inszenierung Otto Schenks schon lange abhanden gekommen ist – obwohl Jürgen Roses Bühnenbild immer noch Szenenapplaus bekommt. Dass die Sänger schauspielerisch machen, was sie wollen, führt im Falle von Hanna-Elisabeth Müllers Sophie und Daniela Sindrams Octavian zu kontrollierten Rollenporträts und bei Martin Gantners Faninal zu angemessener Aufgeregtheit. Anja Harteros‘ Feldmarschallin räkelt sich vielleicht ein wenig allzu huldvoll auf dem Sitzmöbel, spielt die Frühstücksszene sehr, sehr zuckersüß, während Günther Groissböck als Baron Ochs, wie schon letztes Jahr in Salzburg, bisweilen Hyperaktivität verbreitet.
Eine Besetzung, die man ideal nennen muss
Doch wie herrlich wird gesungen, und wie passgenau treten die Hauptfiguren zu einem echten Ensemble zusammen! Groissböck verströmt seinen profunden Bass verführerisch und differenziert genau zwischen dem groben Poltern und den feinen Nuancen seiner Partie. Kunstvoll macht Frau Sindram mit einer kräftigen und glatten Mittellage den Octavian als jungen Burschen erfahrbar und kann doch im Terzett ihre stimmliche Weiblichkeit bewahren. Die Sophie der Hanna-Elisabeth Müller könnte sich nicht schwereloser, engelsgleicher in den Höhenrausch der Rosenszene aufschwingen, ihr Sopran ist so sanft lyrisch geführt wie reichst timbriert.
Und Anja Harteros? Selbst aus der grandiosen Rollengeschichte (Lotte Lehmann! Viorica Ursuleac! Maria Reining!) fallen einem keine Sängerinnen ein, die magischer leuchten, im unglaublichen Pianissimo körperloser schweben konnten als Frau Harteros, die für Strauss geschaffen worden sein muss. Von allen Sängern versteht man außerdem so gut wie jede Silbe des Hofmannsthalschen Textes. Diese Besetzung kann man nicht anders als ideal nennen.
Noch einmal am So, 17. 7., 18 Uhr, Restkarten