Andris Nelsons dirigiert Schostakowitsch, Paul Lewis spielt Mozart
Bei Licht besehen ist das ein fairer Deal: Lang Lang sagte wegen der Eröffnung der Expo in Mailand beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks eher kurzfristig ab. Enttäuschten Kartenkäufer und Abonnenten kriegen im Herbst exklusiv einen Klavierabend zur Entschuldigung.
Und wer auf das Tschaikowsky-Konzert nicht verzichten will: Der Chinese donnert es am 23. April 2016 in die Tasten, wenn er mit dem Wiener Philharmonikern unter Gustavo Dudamel in München gastiert.
Selbst an die nicht geringe Schar der Lang-Lang- und Tschaikowsky-Verächter hatte das löbliche Management gedacht: Als Einspringer kam Paul Lewis, das Gegenteil eines Super-Virtuosen. Er spielte Mozarts C-Dur Konzert KV 503 mit bestechender Natürlichkeit im Kopfsatz, einem Hauch diskreter Rhetorik im Andante und keckem Schwung in den finalen Partiturseiten. Ein Idealfall, hätte das Orchester im langsamen Satz nicht hartnäckig auf seinem geliebten Rustikaldauer-Forte bestanden.
Souveräne Ruhe
Danach Dmitri Schostakowitschs ungewöhnlichste Symphonie: seine Vierte. Ein Werk ohne Sowjet-Pathos und slawische Trauer. Sogar die Largo-Einleitung des Finales ist eine Fagott-Groteske (wie stets famos: Marco Postinghel). Und dann, am Ende, ein Choral-Orgasmus interruptus wie bei Mahler, der ohne Höhepunkt abbricht und lange nachhallt.
Andris Nelsons und dem wie immer souveränen Orchester gelang die Ruhe nach dem Sturm bestürzend intensiv. Da nahm sich der dirigierende Ekstatiker zurück: Er hörte nur noch zu. Aus dieser Zurückhaltung entstand ein echter Schostakowitsch-Moment des Zwielichts und der Doppelbödigkeit. Dass Nelsons sonst die Schärfen abfeilte und das Strenge, Unnachgiebige, Unbehagliche der Viertem ein wenig zu kurz kommen ließ, war da schon wieder fast vergessen.