Andrea Marcon: Italienische Würze für Bach
Schnelle Tempi sind in der Musik wie scharfe Gewürze in der Küche: Wenn man sich an sie gewöhnt, wirkt das Maßvolle leicht fad. Auch Andrea Marcon, Organist und Cembalist, der vor allem als Gründer des Venice Baroque Orchestras bekannt wurde, ist nicht der Typ für die Entschleunigung und gibt in den Orchestersuiten Nr. 3 und Nr. 4 von Johann Sebastian Bach, beiden in D-Dur, einen nervösen Puls vor, der die Münchner Philharmoniker zumindest nicht langweilt.
Im Gegensatz zu manchen Kollegen der Alte-Musik-Szene hat aber der Italiener die Entwicklung der Musik auch bei hoher Geschwindigkeit noch im Griff. Sein rhythmischer Drive führt, weil er mit den Philharmonikern auf sorgfältige Artikulation achtet, nicht zu einer Zersplitterung der Phrasen in einzelne Impulse.
Swingende Energie statt Statik
Gerade in den repräsentativen Ouvertüren im französischen Stil tritt die Musik nicht hektisch auf der Stelle, sondern treibt jeweils einem klaren Höhepunkt entgegen. Dazu ist die Balance der einzelnen Gruppen vorzüglich. Swingende Energie statt Statik, Ordnung statt orchestralem Wildwuchs: Das ist in heutigen Barock-Aufführungen keineswegs die Regel. Zu dieser wertvollen formalen Übersichtlichkeit kommt ein instrumentales Feuerwerk der Münchner Philharmoniker, allen voran der Glanz von drei Trompeten, die auch in höchsten Lagen noch kieksfrei anstechen.
Gleich fünf Solistinnen und Solisten prangen im Konzert g-moll RV 576 von Antonio Vivaldi. Die Streicher der Philharmoniker führen ihre Bögen empfindsam, sodass sogar die empfindlichen Blockflöten eine Chance haben. Solche zarte Kammermusik ist in der hellhörigen Isarphilharmonie gut aufgehoben.
Italien-Sehnsucht
Statt den Takt mit der Hand zu schlagen, stößt Andrea Marcon gerne beide Arme leidenschaftlich in die Luft. Wenn es ein solistisch, chorisch und orchestral aufgetürmter Apparat erfordert, kann er aber auch mit einem regelgerecht vorgegebenen Drei- oder Vierviertel-Schema Orientierung bieten. In Bachs Magnificat D-Dur zeigt sich der Philharmonische Chor München einmal von seiner virtuosen Seite. Selbst im hochkomplexen Satz hat es Chordirektor Andreas Herrmann in seiner Einstudierung geschafft, jede der fünf Stimmen ausgewogen zur Geltung zu bringen. Beweglich und ohne Allüren tun sich die Solistinnen und Solisten hervor.
Alle diese Schönheiten stimmen zu einem Bach-Bild zusammen, das in seiner lebhaften Gesanglichkeit einen Hauch italienischer Würze verbreitet. Dem Thomaskantor, dessen Werken man eine gewisse Italien-Sehnsucht oft anmerken kann, könnte das wohl gefallen haben.
Noch einmal am heutigen Samstag, den 20. Dezember, um 19 Uhr in der Isarphilharmonie, Restkarten an der Abendkasse