Andrea Berg und der Glücksdrache
"Seele“, „Paradies“, „Glücksdrache“ und „Sterne“ sind die Wörter, die am Samstagabend in der sehr gut gefüllten Olympiahalle immer wieder gesagt und besungen werden – und in unironischer Inszenierung auch auftauchen. Denn Schlagerkönigin Andrea Berg ist auf „Seelenbeben“-Tour.
Ihre Bühne ist ein großer Drache, auf dessen Kopf zu sie beim ersten Song „Drachenreiter“ im roten Kleid mit roten Flügeln als Höllenengel performt. Auf dem Rücken spielen ihre vier Musiker in weißen Hosen und braunen Lederwesten mit ausladenden 80er-Schultern. Über die Drachenschwanztreppe mit Styropor-Zackengeländer wie Haifischflossen, schreitet Berg in fetzigen Fetzenkleider zum Lauf- und Tanzsteg, der fast komplett durch die Olympiahalle läuft. „Seid willkommen in meiner Fantasie“, ruft die 51-Jährige, die hörbar nie ein Sprechtraining gemacht hat. „Ich nehme euch mit in eine Welt der Glücksdrachen und Feuervögel.“
Romantik mit Taschenlampen
Neun Münchner Kinder kommen zu Klaviermusik von „Wunderland“ als plüschig-braune Drachen verkleidet auf die Bühne und dürfen der fannahen Schlagersängerin Name und Alter verraten. Weil „die Großen ja verlernt haben, wie wünschen geht“, zeigt es Andrea Berg den Kinderdrachen: „Wir wünschen uns einen Sternenhimmel“, sagt sie, – Augen zu – und zwinkert ins Publikum: „Handy-Taschenlampen.“
Als die neun kleinen und der große Drache die Augen wieder öffnen, da funkeln die Mobiltelefone in der Olympiahalle. Zeit, um das von Andrea Berg geliebte „Weißt du wie viel Sternlein stehen“ zu singen. Derlei Gänsehaut-Momente mit dem Zaunpfahl gibt es zuhauf: In einem weißen, illuminierten Prinzessinnenkleid sitzt Andrea Berg auf einer Schaukel und schwört: „Solang die Erde sich dreht, lieb ich dich“, während es Glitzer regnet. Später erklärt sie: „Die Sterne an meinem Himmel sind die Menschen, die ich liebe“ und singt für ihren toten Vater „Für immer und ewig“.
Doch zwischen diesen ruhigen Momenten gibt es lange Passagen, in denen gefeiert und mitgesungen wird, während ihre Tänzer rhythmische Sportgymnastik mit Bändern machen oder mit Feuer fuchteln. Das Erstaunliche bei dieser Show: Man glaubt Andrea Berg. Die ungeschliffene Sprache, die aus jeder Zeit gefallenen Kostüme und die kindische Styroporbühne – das muss aus ihrem Herzen kommen. Denn da ist keinerlei Ironie, keine zweite Ebene. Nur Schlager. Deshalb macht es auch Spaß, bei dieser Tabaluga-Show für Erwachsene dabei zu sein.
Eine glaubwürdige Liebe und Nähe zum Publikum
Als Andrea Berg euphorisch fordert: „München, lass uns in Flammen stehen“, die ziehen einige Fans hörbar die Luft ein. Bei der Vorpremiere ihre Tour hatte sich die Sängerin verbrannt.
All die freizügigen Kleider, Feuerdrachen und Mitsing-Hits können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Andrea Berg zahmer wird. Die wilden Zeiten der Rockerposen und Lederstiefel sind vorbei. Stattdessen schreitet sie in orthopädischen Schuhen und streckt motivierend den Daumen in die Höhe, nachdem sie auf Zuschauer gezeigt hat. Andrea Berg hat eine große Nähe und Liebe zu den Fans.
Bei „Es muss ja nicht immer sein“ fordert sie die Münchner auf, „die Olympiahalle in einen Tanztempel zu verwandeln“, holt Herren auf die Bühne und losgeht die Discofox-Party. Später fischt sie den sieben Jahre alten Julian aus dem Publikum. Ob einstudiert oder spontan – der Bub ist eine Rampensau und singt „Ich liebe das Leben“ als wäre er Heintje „reloaded“. Die Fan-Seelen beben.
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