András Schiff: Mit den Tasten plaudern
So richtig hitzig wird über die Frage, ob man die Musik von Johann Sebastian Bach statt auf Cembalo und Clavichord auch auf dem modernen Konzertflügel ausführen darf, heutzutage nicht mehr debattiert. Man könnte sogar sagen, dass Pianisten wie Murray Perahia und András Schiff dieses Problem eigentlich gelöst haben: Beide haben ihre Bach-Interpretation paradoxerweise dadurch perfektioniert, dass sie in ihrem Spiel die beschränkten Möglichkeiten der alten Instrumente berücksichtigen.
András Schiff etwa setzt kaum einmal das Pedal ein, wenn er mit sechs Klavierkonzerten von Bach in der Isarphilharmonie gastiert. Er verzichtet bewusst auf ein Liegenbleiben der Töne, das die Gesanglichkeit erleichtert, aber eben auch zu Verwischungen führen kann.
In so einem zentralen Punkt aber treten auch die Unterschiede zwischen den beiden Bach-Experten, dem 75jährigen Murray Perahia und dem noch nicht 70-jährigen András Schiff hervor. Während der Amerikaner mit rundem Ton und lückenlosem Legato tendenziell eher das größere Volumen des Flügels ausschöpft, nutzt ihn der ungarische Wahl-Brite gerne auch als Perkussionsinstrument.
Für András Schiff ist Bach ein moderner Komponist
Im Klavierkonzert g-moll, das auf das Violinkonzert a-moll zurückgeht, deutet Schiff manche Kontrapunkte als kleine Explosionen und holt Passagen der begleitenden linken Hand so federnd markiert heraus, dass ihre motivische Bedeutung offen zutage tritt; im Konzert D-Dur nach dem Violinkonzert E-Dur entdeckt er eine regelrechte Durchführung - wie sie Jahrzehnte später Joseph Haydn schreiben wird.
Dazu passt Schiffs summender, plaudernder Ton im Konzert A-Dur, eine Vorahnung des galanten Stils, oder das Flirten mit dem motorischen Moment des Konzertes f-moll, das auf den Neobarock des 20. Jahrhunderts vorausweist: Für András Schiff ist Bach ein moderner Komponist. Diese Einsicht realisiert sich nicht nur im Gebrauch eines zeitgenössischen Instrumentes, sondern setzt sich im Dialog mit der Cappella Andrea Barca fort.
Deren Solisten sind hörbar auf Schiff eingeschworen, sie spiegeln seine reliefartig plastische Artikulation, nehmen sie auf und spinnen sie weiter, besonders greifbar im berühmtesten der Klavierkonzerte, dem in d-moll. Natürlich wollen wir das Cembalo nicht missen. Schwer vorstellbar ist aber auch, dass Johann Sebastian Bach selbst die pianistische Kunst des András Schiff nicht freudigst begrüßt hätte.
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