Anderthalb neue Minuten: Unbekanntes Klavierstück von Mozart feiert Premiere

Seong-Jin Cho spielt die Uraufführung eines bislang unbekannten Klavierstücks von Mozart.
Michael Bastian Weiß |
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Rolando Villazon), der Intendant der Mozartwoche, mit dem koreanischen Pianisten Seong-Jin Cho und Ulrich Leisinger, dem wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Mozarteum Salzburg im Großen Saal des Mozarteums in Salzburg, mit dem Manuskript des Stücks.
Rolando Villazon), der Intendant der Mozartwoche, mit dem koreanischen Pianisten Seong-Jin Cho und Ulrich Leisinger, dem wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Mozarteum Salzburg im Großen Saal des Mozarteums in Salzburg, mit dem Manuskript des Stücks. © Wolfgang Lienbacher/Stiftung Mozarteum Salzburg/dpa

München - Die Wahrscheinlichkeit, der Uraufführung eines Werkes von Wolfgang Amadeus Mozart beizuwohnen, ist geringer als die, den Halleyschen Kometen zu sehen: Die letzte Entdeckung liegt 70 Jahre zurück.

Das Unbeschreibliche, hier wird's Ereignis. Denn der Salzburger Stiftung Mozarteum gelang es, ein Klavierstück zu erwerben, das ursprünglich aus der Sammlung des Wiener Antiquars Alexander Posonyi stammte.

Das Blatt stammt wohl aus dem Nachlass von Mozarts Sohn Franz Xaver Wolfgang, der es wiederum von seiner Tante, Mozarts Schwester Maria Anna, geerbt haben soll. In den 1920er Jahren erwarb ein "musikbegeisterter Ingenieur" das Blatt in einem Pariser Antiquariat und es blieb fast 90 Jahre im Besitz der Familie, bevor es an die Stiftung Mozarteum vermittelt werden konnte.

Neues Stück von Mozart entdeckt

Die Forschung wusste zwar von der Existenz des Stückes, aber nicht, wie es aussah. Vier Experten haben die Echtheit der Handschrift bestätigt.

Entsprechend feierlich, so schildern sie es in einer kleinen filmischen Dokumentation, war den Mozartianern zumute, als ihnen ein Bote das Manuskript überbrachte. Bemerkenswert ist, wie sie betonen, dass es sich dabei nicht um ein Fragment, sondern um ein in sich geschlossenes Stück handelt.

Mozart-Uraufführung im Netz

Das Allegro D-Dur mit der Köchelverzeichnis Nr. 626/b 16 gliedert sich in drei Teile: Auf einen ersten Gedanken, indem der Dreivierteltakt durch motivische Verschiebungen kunstvoll verschleiert wird, folgt ein gesanglich wiegender Mittelteil und eine verkürzte, lustig hüpfende Reprise, die aber so wirkt, als ob noch einmal neues Material gebracht würde.

Die Uraufführung pünktlich zu Mozarts 265. Geburtstag und zum Beginn der digitalen Mozartwoche besorgte der südkoreanische Pianist Seong-Jin Cho in einem im Netz gezeigten Premierenvideo.

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Mit seinem angenehm abgezirkelten Ton braucht er dafür 94 Sekunden. Selbst für Mozart ist das sehr kurz, es stellen sich also einige Fragen. Ist das Werklein wirklich vollständig? Könnten auf den vorliegenden ersten Teil nicht noch eine Durchführung und eine Reprise folgen, sodass wir es doch mit einem liegengebliebenen Sonatensatz zu tun hätten?

Die Wissenschaftler datieren das Stück mit guten Argumenten auf den Anfang des Jahres 1773. In diesem Jahr hat Mozart aber außer den acht Menuetten 315a sonst keine Klaviermusik komponiert, und diese auch erst am Ende des Jahres. Dazu kommt, dass das Stück mit seinen vielen Wiederholungszeichen auf engstem Raum für Mozart eher untypisch ist.

Ungewöhnliche anderthalb Minuten

Des Rätsels Lösung liegt mit einiger Plausibilität in der Hypothese, die der Erstherausgeber Ulrich Leisinger im Vorwort seiner Edition vorstellt. Das Allegro könnte ein kurzer Tanzsatz aus einem Ballett eines anderen Komponisten sein, den Mozart vom Orchester auf das Klavier übertrug. Sowas hat öfter gemacht.

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So oder so lassen diese bislang unbekannten und ungewöhnlichen anderthalb Minuten Mozart dem Hörer einigen Stoff zum Rätseln. Und den Pianisten wurde ein gewitztes und völlig unverbrauchtes Zugabenstück geschenkt.

Voraussichtlich ab Ostern soll die Handschrift in Mozarts Geburtshaus in der Salzburger Getreidegasse ausgestellt werden. Eine Faksimileausgabe davon kann im Museumsshop und über den Buch- und Musikalienhandel erworben werden.


Ein Video der Aufführung ist auf der Facebook-Seite der Stiftung Mozarteum zu sehen. Infos zum Programm der digitalen Mozartwoche auf www.mozarteum.at

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