Als Sänger im Zenith
Es ist nicht immer einfach, herauszufinden, welche Haltung eigentlich Jan Böhmermann hat. Sein Witz liegt oft gerade in der Ambivalenz seiner Moderationen und musikalischen Nummern, die zwar auf den ersten Blick klar Position beziehen, aber vielleicht doch noch einen Hintergedanken mittransportieren, der sich erst auf den zweiten Blick entfaltet und die Kritik auf weitere Bereiche ausbreitet.
Der Pop-Hit „Menschen Leben Tanzen Welt“, dessen Text aus lauter Phrasen und Werbeslogans besteht, die wahllos von Schimpansen aus dem Gelsenkirchener Zoo zusammengewürfelt wurden, ist so ein Beispiel für die Böhmermannsche Bedeutungsvielfalt: Klar macht der Satiriker sich über die Gehaltlosigkeit deutscher Texte von Songwritern wie Max Giesinger lustig, aber auch über das Publikum, das solche Songs mag. Die Harmonien werden in ihrer Einfachheit vorgeführt und verführen – böse, böse – zum Mitschunkeln, Mitsingen.
Kritik und Kumpanei
So konnte man es nun auch im ausverkauften Münchner Zenith erleben, wo Böhmermann und seine Begleiter, das Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld, ihr erstes Münchner Konzert hinlegten. Einen Dreh weiter geht er aber dann, wenn plötzlich Max Giesinger selbst auftaucht und mitsingt. Das zeigt die Souveränität des Parodierten, aber lässt auch eine Kumpanei unter Stars entstehen, die schal die Kritik am Populären ins Populäre laufen lässt.
Wenn Giesinger dann auch noch einfach seinen eigenen Hit „80 Millionen“ singen darf, hat das Konzert völlig den Reiz der Satire verloren und geht in einem Mainstream auf, der durchaus seine Berechtigung hat, für den nur Jan Böhmermann eigentlich nicht stehen will.
Oder doch? Es ist verständlich, dass der Fernseh-Entertainer die musikalischen Erträge der letzten Jahre, die er vor allem in seiner Late-Night-Show „Neo Magazin Royale“ präsentierte und im Internet viral gingen, auch auf der Bühne präsentieren will: Den eigenen Ruhm hautnah mit den Fans genießen – wer könnte dieser Versuchung widerstehen?
Buhs für die Akustik
Einige Lieder können auch fern der Bildschirme bestehen, „La-La-Laugengebäck“ klingt etwa auch live schön blöd. Aber ohne die Videos zu seinen Songs, an denen Böhmermann und sein Team äußerst perfektionistisch feilen, geht doch einiges an Komik und kritischer Haltung verloren.
Dazu kommt, dass der Sound im Zenith bei diesen ersten Versuchen als Sänger vor großem Publikum gerade zu Beginn schlecht austariert ist. Böhmermanns cleverer Appell gegen Fremdenfeindlichkeit im Gewand einer Hymne auf völlig unvermutete deutsche Tugenden – „Be deutsch“ - verliert an komischer Brillanz ohne die begleitenden Bilder. Seine Stimme, die im Stile von Rammstein in die Tiefe geht, ist zudem wegen der mangelhaften Tonabmischung kaum zu hören.
Später wird er die Fans in den hinteren Sitzreihen fragen, wie sie drauf sind. Starker Jubel. „Und die Akustik?“ Starke Buhrufe. Was Böhmermann erwartet hat und mit Humor und erneuter Stimmungsmache geschickt auffängt.
Auch als Live-Entertainer macht er eine sehr gute Figur, wirkt in seinem eleganten Anzug wie Max Raabe, um nach einer Halbzeitpause im Hoodie-Look eines Rappers aufzutreten. Gewohnt wandlungsfähig switcht Böhmermann zwischen Rollen, lässt aber den roten Faden des Abends, der er nun mal selbst ist, immer wieder für Pausen fallen.
Scherze von Schimpansen
Dann legt das 17-köpfige Orchester ohne ihn furiose Instrumentalversionen von Hits wie Britney Spears „Toxic“ hin oder Gagschreiberin Guilia Becker bekennt schön singend: „Ich hab eine Scheide“. Womit sie einem, wirklich lustig, die Diskriminierung des weiblichen Geschlechts in der oft noch männlich dominierten Arbeitswelt um die Ohren haut. An anderen Stellen wirkt das direkte Benennen dessen, was veräppelt werden soll, schlicht brachial. Geistesblitze jenseits dessen, was man schon kennt, hat Böhmermann an diesem Abend kaum zu bieten.
Dass alle an ihre Notenblätter Kreuze gehängt haben, „falls Vampire vorbeikommen“, scherzt er einmal und schiebt am Ende bei seinem größten Hit „Ich hab Polizei“ eine Textzeile ein: „Fick dein Kruzifix, du bist Markus Söder, ich hab Polizei.“
Das ist so direkt und eindeutig, dass es nicht mehr lustig ist. Zumindest nicht intelligent lustig. Solche Scherze könnten wohl auch Schimpansen hinbekommen.