Allüren und Allergien

Gaetano Donizettis „Lucia di Lammermoor“ konzertant in der Philharmonie am Gasteig
von  Volker Boser

Als Lucia im ersten Duett mit Edgardo den letzten hohen Ton immer noch hielt, während ihr Partner längst aufgehört hatte, ahnte man Böses. Joseph Calleja drehte sich um und verließ brüsk das Gasteig-Podium. In der zweiten Pause sickerte durch, dass er nach Kürzungen verlangt habe.

Dass er dann aber seinen großen, immerhin fast zwanzig Minuten langen Schlussauftritt wegen einer „allergischen Reaktion“ gänzlich platzen ließ - wie erst hinterher verkündet wurde - und die konzertante Aufführung der Oper mit Lucias Wahnsinnsszene enden musste, erboste vor allem den Dirigenten Jesus Lopez-Cobos. Die Zuhörer im Gasteig nahmen es gelassen hin. Die meisten waren ohnehin wegen Diana Damrau gekommen.

Gerade in Donizettis „Lucia di Lammermoor“ sollten Sänger-Eitelkeiten tabu sein. Wer hier mitmacht, müsste die Hierarchie kennen. Diana Damrau zeigte sich hoch motiviert. Ihr energisches Bemühen um Ausdruck und der Mut zu Spitzentönen machten mächtigen Eindruck. Dem an schlimme Opernschicksale gewöhnten Publikum teilte sich eindringlich und unmittelbar mit, warum diese Liebe zuerst im Wahnsinn und dann mit dem Tod enden muss.

Vielleicht spürte Joseph Calleja, dass sein einförmiges, lautstarkes Singen zu dieser zerbrechlichen Lucia nur wenig passt. Da waren keine Nuancen, keine Emotionen spürbar. Wie die beiden auf der geplanten CD-Einspielung und den beiden folgenden Aufführungen harmonieren werden, darauf darf man gespannt sein.

Zwei Proben hatte es gegeben. Jesus López-Cobos machte das Beste daraus und setzte mit zügigen Tempi das aus Philharmonikern und Gästen zusammen gewürfelte „Münchner Opernorchester“ unter Dampf. Er ist kein Präzisionsfanatiker. Das führte angesichts der fragilen Qualitäten der Musik bisweilen zu irritierenden Momenten.

Zum Glück zeigten sich die übrigen Sänger von den Tenor-Allüren und Allergien unbeeindruckt: Voran Damrau-Gatte Nicolas Testé (Raimondo), ein prächtiger Bass-Bariton und Ludovic Tézier (Enrico), dessen lyrischer Bariton sich stilistisch äußerst flexibel einfügte. Und noch einen Sieger gab es: Sascha Reckert, virtuos an der Glasharmonika, sorgte dafür, dass Lucias Wahnsinnsszene in der Originalfassung erklingen durfte.

Wieder am 4. und 10.7. im Gasteig, 19.30 Uhr, Telefon 54818181

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.