Akustisches Anschauungsmaterial für Valery Gergiev

In der Hamburger Elbphilharmonie: Valery Gergiev und die Münchner Philharmoniker mit Strauss und Brahms
Dreimal das „Heldenleben“ von Richard Strauss. Erst am vergangenen Dienstag etwas saft- und kraftlos mit der Accademia di Santa Cecilia unter Antonio Pappano im Gasteig. Dann drei Tage später am gleichen Ort mit den Münchner Philharmonikern unter Valery Gergiev: mit viel kernigeren Streichern, besseren Holzbläsern, einer glanzvollen Horn-Gruppe und strahlendem Blech. Und am Samstag gleich nochmal, beim Debüt des Orchesters der Stadt und seines Chefdirigenten in der Hamburger Elbphilharmonie.
Klangzauberer Toyota ist auch da. er soll's auch in München richten
Das vor gut einem Jahr eröffnete neue Wahrzeichen der Hansestadt ist akustisch nicht unumstritten, sobald singende Solisten ins Spiel gebracht werden: Wer bei diesem Saal in Weinbergform hinter dem Orchester sitzt, darf zwar dem Dirigenten ins Gesicht sehen, aber Sänger drehen einem Drittel der Zuhörer den Rücken zu – mit entsprechenden Folgen für den Klang.
Beim Programm dieses Gastspiels, der Symphonie Nr. 3 von Johannes Brahms und dem „Heldenleben“, spielte dieses akustische Problem der Elbphilharmonie keine Rolle. Bei der Anspielprobe gut zwei Stunden vor Konzertbeginn war Yasuhisa Toyota anwesend, der die Akustik der Elbphilharmonie gestaltet hat. Der Japaner hat auch Vorschläge für die geplante Optimierung des Gasteig gemacht und ist der Favorit von Mariss Jansons für das Akustik-Design des neuen Konzertsaals im Werksviertel.
Die Elbphilharmonie? Ein guter Saal für gute Orchester, meint Gergiev
Gergiev und Toyota hörten sich aus dem Saal den Anfang von „Ein Heldenleben“ an. Dann bat der Dirigent die Kontrabassisten, sich in einer Reihe hinter dem Orchester aufzustellen. Für ihn ist, wie er anschließend sagte, die Sitzordnung der Musiker ausschlaggebend für die Lösung aller akustischen Fragen in der Elbphilharmonie. Auch im Gasteig hat die veränderte Aufstellung der Philharmoniker schon einiges gebracht.
„Es ist ein guter Saal für gute Orchester“, sagte Gergiev nach dem Konzert in seiner Garderobe. Die Bratschistin Beate Springorum nennt die Elbphilharmonie „sehr ehrlich und sehr klar“. Das war so ähnlich auch von anderen Musikern zu hören: etwa aus dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, das bereits im vergangenen Mai in Hamburg gastierte.
Die meisten Philharmoniker teilen die auch aus anderen Orchestern zu hörende Kritik, dass man auf dem Podium seine Kollegen nur sehr schlecht höre. Wenn man die Musiker nach einem persönlichen Ranking bittet, landet die Elbphilharmonie nach dem historischen Amsterdamer Concertgebouw und der neuen Pariser Philharmonie meist auf dem dritten Platz – durch diese Säle führte die Europatournee des Orchesters in den letzten Wochen.
Das Publikum ist da besser dran. Wer die Dritte von Brahms und das „Heldenleben“ im Gasteig und anschließend in Hamburg gehört hat, erlebte die Skizze vor dem Gemälde. Nicht weil die Musiker zu Hause weniger engagiert spielen würden, sondern weil die Akustik in der Elbphilharmonie alle Nuancen der Interpretation viel deutlicher an den Zuhörer vermittelt.
In Hamburg sitzt niemand mehr als 30 Meter vom Dirigenten entfernt. Alles wirkt näher und intensiver als im Gasteig, wo groß besetzte Werke wie „Ein Heldenleben“ wirken, als würde hinter einem Vorhang gespielt.
Das ist nicht unbedingt eine Frage der Lautstärke. In der Elbphilharmonie wirkt auch Leises stark. Da blühen blasse Farben auf. Das in München vor allem auf teuren Plätzen bisweilen flache Fortissimo ist hier opulent und leuchtend. Der bronzene Streicherklang, auf den die Philharmoniker so stolz sind, kommt in Hamburg viel besser zur Geltung.
In Hamburg hören, was Gergiev will
Wie leise die Musiker spielen können, führte der Flötist Herman van Kogelenberg stellvertretend für seine Kollegen bei Debussys „L’Après-midi d’un faune“ vor, den Gergiev als Zugabe ausgesucht hatte. Es scheint, dass man dem auch unter seinen Musikern nicht ganz unumstrittenen Chef der Philharmoniker Unrecht tut, wenn man seine Interpretationen in München oft als pauschal abtut.
Das zeigte sich vor der Pause bei der Dritten von Brahms. Gergiev lässt sie langsam und auf weiches Legato bedacht spielen. Was einem in München mehr routiniert als inspiriert vorkam, wirkte in Hamburg viel stärker als bewusst gestaltete Interpretation. Und auch bewusst gesuchte Grellheit im „Heldenleben“ wirkte nun so bissig-ironisch, wie sie gemeint ist.
Die Gasteigakustik als Luxusproblem?
Die seit Jahren diskutierte Akustik des Gasteig mag ein Luxusproblem sein. Aber wenn wir uns Orchester von Weltruf leisten und hier gastieren lassen, sollten auch die Voraussetzungen gegeben sein, sie unter optimalen Bedingungen zu erleben.
Der Umzug in den Sendlinger Interims-Gasteig an der Brudermühlbrücke kann daher als Chance betrachtet werden: Hier kann das Publikum seine Orchester womöglich direkter erleben. Die Botschaft aus Hamburg haben nicht nur mitreisende Journalisten vernommen. Ein Mitglied des Stadtrats war in Hamburg auch dabei: Julia Schönfeld-Knor (SPD) wirkte vom Philharmoniker-Sound ebenfalls begeistert.
Am 24. März debütiert das Bayerische Staatsorchester unter Kirill Petrenko in der Hamburger Elbphilharmonie