Abschied von José Carreras

MÜNCHEN - Bei Abschiedskonzerten berühmter Sänger hört man nie mit den Ohren. Eher mit der Erinnerung. Nie wird da die gegenwärtige künstlerische Verfassung gefeiert. Sondern die Lebensleistung. Das macht solche Abende allerdings nur für hartnäckige Fans und Freunde des Künstlers zum Genuss.
José Carreras hat davon immer noch viele: Die Philharmonie war beim Gastspiel seiner „Final World Tour“ ausverkauft. Er wurde mit stehenden Ovationen gefeiert und durfte erst nach einer halben Stunde mit Zugaben endgültig ziehen.
Von der Opernbühne hat sich der Katalane bereits 2009 zurückgezogen. Vor zwei Jahren gelang ihm mit dem Opern-Politthriller „El Juez“ über die Franco-Diktatur ein respektabler Abschied Nr. 2.
Wer mit den Ohren hörte, fragte sich, wieso sich der 69-Jährige nun noch diese Tournee mit Zarzuelas und italienischen Edel-Schlagern antut. Carreras sang im Schluss-Medley eine Kurzfassung von „Vesti la giubba“ aus Leoncavallos „Bajazzo“ und das Trinklied aus Verdis „La traviata“. Sonst überließ er die Oper dem Netrebko-Klon Venera Gimadieva. Carreras Neffe David Giménez begleitete die beiden mit dem allenfalls wackeren Bohemia Sinfonieorchester Prag.
In seiner Glanzzeit in den Siebzigern und Achtzigern betörte der Katalane mit einem wunderbaren lyrischen Timbre. Dann verführte ihn Herbert von Karajan zu schweren Rollen wie dem Radamés in Verdis „Aida“. 1987, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, erkrankte Carreras an Leukämie. Dann engagierte er sich für die Erforschung und Bekämpfung dieser Krankheit – und füllte als einer der „Drei Tenöre“ seine Kasse und die Stadien der Welt.
Über den gegenwärtigen Zustand seiner Stimme soll hier geschwiegen werden. Nur einmal, bei einer der Zugaben, blitzte die von früher bekannte, helle, sinnlich strahlende Farbe für einen Augenblick auf. Auftrumpfende Musik wie die für diese Tournee ausgewählten Stücke liegt außerhalb der gegenwärtigen Möglichkeiten des Sängers.
Ein trauriger Abend. Aber seine Aufnahmen wie Puccinis „La Bohème“ unter Colin Davis oder Rossinis (!) „Otello“ unter Jesús López Cobos künden weiterhin von der hohen Kunst des Sensiblen unter den Drei Tenören.