2013 - das Jahr der Soulmusic

So klingen die neuen Alben von Aaron Neville, José James und Angie Stone
von  Christian Jooß

So klingen die neuen Alben von Aaron Neville, José James und Angie Stone.

 

Lianne La Havas und Michael Kiwanuka trugen im letzten Jahr von England aus den Soul in die Welt. Grob geschätzt 60 Jahre ist es her, dass im Gospelsound aufgewachsene Musiker erkannten, dass man anstelle der göttlichen Liebe auch die weltliche besingen kann – und ein Genre wuchs, dessen Kraft, alle zwischenmenschlichen Lebenslagen zu beschreiben, locker bis in unsere Tage reicht.

Gerade erschienen sind drei ganz unterschiedliche Alben, die ahnen lassen, dass auch 2013 ein Musikjahr im Zeichen der Soul-Power wird. Zum übermächtigen Retrodrang, der das Gestern gerne zum schöneren Heute verklärt, kann man eine gespaltene Einstellung haben. Beim 1941 geborenen Aaron Neville ist die Grundlage von „My True Story“ (Blue Note) aber die musikalische Sozialisation seiner Kindheit und Jugend.

Mit dem Titelsong taucht man ins Jahr 1961, als The Jive Five aus Brooklyn mit dieser Nummer ihren größten Hit hatten. Es ist eine knapp skizzierte Dreiecksgeschichte, die zu Tränen führt, die den Blues wegwaschen sollen.

Aaron Neville braucht den Background-Chor als Schmerzsalbe

Und auch bei Neville braucht ein Master of Ceremony des Doo Wop einen Backgroundchor als Schmerzsalbe. Hier singen Eugene Pitt von den Jive Five, Bobby Jay von den Teenagers und Dickie Harmon von den Del-Vikings. Noch mehr Prominenz gefällig? Produzenten sind Don Was und Keith Richards, der selber Gitarre spielt. Keyboarder ist Benmont Tench, und Dylan-Schlagzeuger George C. Receli fungiert als Herzschlagmetronom.

Der Rhythm’n’Blues der Drifters mit „Money Honey“, „Gypsy Woman“ aus der Zeit, als Curtis Mayfield noch bei den Impressions sang, Little Anthonys „Tears On My Pillow“ – das sind Werkstücke aus der Frühphase der musikalischen Industrialisierung, die im Wochentakt neue Gruppen konzipierte.

Geschichte wird vom Kollektiv der Giganten um Neville neu aufgelegt, das im Original oft leichte Schiefe auf eine herzliche Ebene der Perfektion geschossen hat. Beseelt von dem zart vibrierenden Falsett aus dem mächtigen Körper des Sängers.

José James macht Musik für den New-York-Club

Der Auftakt zu José James’ neuem Album „No Beginning No End“ (Blue Note): Minimal-Funk mit dem Offbeat aus Bass und Snare. Auf den Bassdrumkick setzt der Bass seine Töne. Gefühlsessenz des Groove. Der 33-Jährige bringt die verminderten Keyboardakkorde des Jazz und R’n’B-Background zu seinem Soul, in dem sich Tradition so unaufgeregt spiegelt, dass er für einen New Yorker Club geschaffen scheint.

Nicht einmal die Streicher in „Tomorrow“ halten die Gefühlseleganz dieses Baritons davon ab, nach vorne zu streben. Seit den frühen 80ern im Geschäft und damals in der HipHop-Abteilung tätig, ist Angie Stone. Die hat an den Anfang ihres Albums „Rich Girl“ (Warner Music) das Glaubensbekenntnis „Real Music“ gesetzt.

Angie Stone - zwischen R'n'B-Glätte und Diva

Nicht zu verwechseln mit den bräsigen Vorstellungen von wahrem, akustischen Gefühl. „Backup Plan“ gehört ebenso wie „Livin’ It Up“ in eine Zeit, als Disco noch nicht Dancefloor war, aber schon mit Lust die glitzernde Verpackung von Sexiness feierte.

Bei „First Time“ oder „Guilty“ allerdings zweifelt man, ob das Subgenre des Easy-Listening-R’n’B sich in seiner Austauschbarkeit nicht überlebt hat. Stone selber scheint zweigeteilt zwischen dem Zwang charttauglicher Hörerwartung und real music, weshalb man sie im Titelsong und bei „U Lit My Fire“ dann doch wieder zurückgezogen auf einen Bandsound findet, in dem Diven noch Raum zum Strahlen hatten.

 

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