10. Münchner Aids-Konzert: Ein starker Liebesappell

Das 10. Aids-Konzert des Münchener Kammerorchesters im Prinzregententheater mit Simone Kermes und weiteren Solisten.
von  Robert Braunmüller
Simone Kermes singt italienische Belcanto-Arien, Alexander Liebreich dirigiert und in der ersten Reihe hört Schirmherr Dieter Reiter im Prinzregententheater gebannt zu.
Simone Kermes singt italienische Belcanto-Arien, Alexander Liebreich dirigiert und in der ersten Reihe hört Schirmherr Dieter Reiter im Prinzregententheater gebannt zu. © Ganslmeier

München - Wie schnell geraten sachen aus dem Bewusstsein. Oder wussten Sie: Über 36 Millionen Menschen sind bereits an Aids gestorben. 37 Millionen tragen das Virus in sich. Und jedes Jahr werden es zwei Millionen mehr. An diese Zahlen erinnerte Dieter Reiter in seinem Grußwort zum 10. Aids-Konzert des Münchener Kammerorchesters, dessen Erlös der Flüchtlingsarbeit der Münchner Aids-Hilfe zu Gute kommt.

Ouvertüren für den rockigen Belcanto-Schluss

Alexander Liebreich, der scheidende Künstlerische Leiter der Orchesters hat dieses Konzert als Akt der sozialen Verantwortung ins Leben gerufen. Er gibt seine Chefposition am Ende der Saison auf, wird die kommenden Aids-Konzerte aber weiter leiten.

Traditionell stehen bei diesem Konzert die Solisten im Vordergrund. Das Orchester hatte aber das erste Wort: mit einer spritzigen Ouvertüre zu Rossinis Oper „Italienerin in Algier“. Hier und in Einleitung zum „Barbier von Sevilla“ störte nur ein wenig die Tendenz des Dirigenten, beim allerletzten Groß-Crescendo das Tempo allzu theatralisch anzuziehen. Für die Cellistin Harriet Krijgh war Maximilian Hornung eingesprungen: Er spielte das Cellokonzert Nr. 1 von Camille Saint-Saëns mit dramatischer Verve, schlanker Eleganz und fragilem Sentiment.

Der kleinere Rahmen stellt den Solisten deutlicher heraus als bei einer Aufführung mit einem Symphonieorchester – obwohl sich Hornung mit seinem großen Ton auch da durchsetzen würde (Maximilian Hornung ist übrigens im Rahmen der Münchner Geigentage am Sonntag um 11 Uhr im Stadtmuseum zu erleben, 7 Euro). Maurice Ravel will sein Klavierkonzert G-Dur im „Geist von Mozart und Saint-Saëns komponiert haben. Darauf würde man nicht unbedingt kommen, wenn man diese hochvirtuose Zirkusmusik mit Jazz-Anklängen hört.

Lise de la Salle spielte das Konzert mit angemessener Rasanz und einem nobel ausgestalteten Mittelsatz. Mozartnah gab sich nach der Pause das Harfenkonzert von Francois-Adrien Bouieldieu, das Xavier de Maistre mit Virtuosität und Noblesse interpretierte. Das Beste zum Schluss: ein Auftritt der Sopranistin Simone Kermes. Die Leipzigerin warf sich mit bissiger Energie auf eine Arie aus Rossinis „Tancredi“, die Tyrolienne aus Donizettis „Linda di Chamounix“ und eine Arie aus Verdis „I masnadieri“. Die leicht und gestochen scharf gesungene Koloraturen verwandelte die Sängerin in gewohnt heftige Ausdrucksmusik. Dass sie sich bei Cabaletten wie eine Pop-Sängerin bewegt, mag Puristen verstören, aber es reißt die Leute mit, die sonst bereits bei der Nennung des Wortes „Oper“ die Flucht ergreifen.

Zuletzt fand die Sängerin auch noch im übertragenen Sinn den richtigen Ton: Sie schenkte ihren Blumenstrauß der Harfenistin und erinnerte an die vielen prominenten Opfer der Immunschwächekrankheit. Dann sang die ergreifend ein ruhiges Stück: Claudio Monteverdis Solo-Madrigal „Sì dolce è’l tormento“ – ein ein starker Appell gegen das Vergessen.


Im 11. Aids-Konzert des MKO treten am 23.3.17 Okka von der Damerau, Sergey Khachatryan, Daniel Müller-Schott und Boris Giltburg auf.

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