Musik in entspannter Atmosphäre
Ärmellose Kleider liebt sie – und das nicht nur, weil die holländische Geigerin darin auf der Bühne eine gute Figur macht. Doch während in Fragen der Robe oft ihre Mutter das letzte Wort hat, präsentiert sich Janine Jansen auf der Bühne als selbstbewusste Geigerin mit Temperament. Mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Daniel Harding spielt sie am Samstag das Violinkonzert von Felix Mendelssohn Bartholdy bei „Klassik am Odeonsplatz”.
AZ: Frau Jansen, fürchten Sie, dass Ihnen mehr mit den Augen als den Ohren zugehört wird?
JANINE JANSEN: Nein. Natürlich hören auch die Besucher in meinen Konzerten mit den Ohren – zudem aber ist da bei einem Live-Auftritt eben auch ein besonderes Kribbeln durch das gemeinsame Konzerterlebnis. Daher nimmt man natürlich auch mit den Augen viel auf. Doch genau diese Verbindung macht für mich Live-Musik eben auch zur bestmöglichen Erfahrung, Musik zu erleben. Insofern ist es nichts Schlechtes, Musik mit den Augen zu hören.
Gilt also in der Klassik auch der Satz „Sex sells”?
Ich zumindest würde nicht wollen, dass meine Alben danach aussehen. Das bin ich nicht, für mich muss klar sein, worum es geht und das ist nun mal die Musik. Aber in anderen Fällen mag es helfen, auch, um vielleicht ein jüngeres Publikum zu gewinnen und damit die Klassik das Image verliert, ernst, verstaubt und steif zu sein.
Ist es für Sie ein Erlebnis, wenn ein ganzer Platz zuhört oder ziehen Sie die Intimität von Kammermusik vor?
Ich liebe beides! Bei Open Air-Konzerten herrschte eine wundervolle Stimmung. Denn die Menschen kommen dorthin, um die Musik, die Umgebung und ein Glas Wein zu genießen – es ist alles sehr entspannt. Andererseits ist es natürlich viel intimere Atmosphäre, wenn ich Kammermusik vor 300 Besuchern spiele.
Empfinden Sie es als Belastung, Abend für Abend eine Stradivari im Wert von drei Millionen Euro in der Hand zu halten?
Anfangs hatte ich schon ziemliche Angst. Ich war ständig besorgt, doch zum Glück verliert sich dieses Gefühl mit der Zeit. Und inzwischen verbinde ich mit diesem Instrument, seinem reichen Klang und ungemein flexiblen Ton einen mindestens ebensolchen emotionalen Wert: Ein Leben ohne diese Geige ist für mich unvorstellbar – doch das hat rein gar nichts mit ihrem finanziellen Wert zu tun.
In Deutschland wird gern die Krise der Klassik beschworen und über die Überalterung des Konzertpublikums gejammert – erleben Sie das auch so?
Ich sehe das nicht ganz so negativ. In Holland erlebe ich viele junge Menschen, die mich im Fernsehen gesehen haben und deshalb dann in eines meiner Konzerte kommen, um auch das einmal auszuprobieren – und das finde ich schön, wenn ich so jungen Menschen einen Weg zur Klassik öffnen kann. Denn unser Hauptproblem ist doch, dass klassische Musik als etwas sehr Elitäres und Ernstes gilt mit zahlreichen Benimm-Regeln. Erst wenn die Menschen die Chance bekommen, einmal ein Konzert selbst zu erleben, können sie doch wirklich sagen, ob es so unangenehm ist, wie sie dachten oder ob sie vielleicht ganz positiv überrascht sind.
Odeonsplatz, Samstag, 20 Uhr, Restkarten an der Tageskasse ab 10 Uhr