Musical "Der Medicus" im Deutschen Theater
Acht Millionen, die alleine in Deutschland das Buch kauften, können sich nicht irren. Ebenso war die deutsche Verfilmung ein internationaler Kassenmagnet in den Kinos und für die Musicalbühne gibt es inzwischen zwei unterschiedliche Bearbeitungen des 1986 erschienenen Romans. 2016 brachte Spotlight-Musicals in Fulda ihre Fassung von Dennis Martin, Christoph Jilo und Wolfgang Adenberg heraus, zwei Jahre später das Theater Nuevo Apolo in Madrid eine weitere Version, die zusammen mit dem Stadttheater Brünn produziert wurde.
Von dort kam "Der Medicus" jetzt ins Deutsche Theater. Den tschechischen Hintergrund hört man bei manchen Nebenrollen, wenn am Hof des Schahs von Persien authentisch geböhmakelt wird. Dafür ist die schöne Schottin Mary, in die sich der angehende Medicus verliebt, aus heimischem Anbau. Die junge Münchnerin Miriam Neumaier ist Absolventin der Bayerischen Theaterakademie August Everding und überzeugt mit ihrem warmen und kraftvollen Gesang, mit dem sie auch die oft ambitioniert komponierten Melodien von Ivan Macías mit souveräner Leichtigkeit zum Leuchten bringt.
Autor Noah Gordon zeigte sich seinerzeit von der spanischen Uraufführung beeindruckt. Er habe sein Buch gehört, schrieb er, und ist Felix Amador dankbar, dass "er eine Bühnenfassung geschrieben hat, die wie aus einem Guss bemerkenswert nah an meinem Roman ist". Wichtiger als die historisch korrekten Details im christlichen Abendland und im muslimischen Morgenland des elften Jahrhunderts war Gordon, selbst ein jüdischer Intellektueller von der amerikanischen Ostküste, die große Versöhnungsgeste seiner Geschichte.
Das Londoner Waisenkind Rob Cole will Medizin studieren, und nach einer Ausbildung bei einem umher ziehenden Bader mit zweifelhaften Behandlungsmethoden erfährt er von der medizinischen Akademie in Isfahan. Christen sind dort noch unerwünschter als Juden, die als Studenten immerhin vom Herrscher toleriert werden. Deshalb gibt er sich als englischer Jude aus.
Wenn Antisemitismus und andere Rassismen auf der Bühne verhandelt werden, rückt das Mittelalter ganz nah an unsere Gegenwart. Es geht um den Respekt vor anderen Kulturen und den Menschen mit anderer Weltanschauung, aber auch um eine freie Wissenschaft, die ihren Segen ungehindert von den archaischen Vorstellungen religiöser Führer entfalten können soll. Die Musik macht diese Freiheit mit großer stilistischer Vielfalt hörbar.
Naheliegendes Zitieren englischer Folkore und orientalischem Klangzauber ist klug dosiert. Statt dessen schmiegt sich eine Ballade wie "Shalom" ins Ohr und das hymnische Duett "Es steht in den Sternen" gehört zu den nur leicht pathetischen Leitmotiven der mit dreieinhalb Stunden etwas überlangen Show. Lebenslust besingen und betanzen die jüdischen Medizinstudenten geradezu übermütig mit einer schnellen und überraschenden Swing-Nummer.
Weniger überraschend und auch etwas betulich ist die Inszenierung von Stanislav Moša gelungen. Geichwohl solide erzählt er im Bühnenbild von Christoph Weyers die Geschichte zwischen einem mittelalterlich finsteren England und einem Persien mit der Pracht aus tausendundeiner Nacht.
Das Orchester unter Leitung Dan Kalousek und vor allem die Stimmen klingen hingegen großartig. Sowohl Bosse Vogt als der erwachsene Rob als auch Jana Luisa Band als Rob im Kindesalter begeistern im Saal wie auch Lénárd Kókai als Bader, der windige Quacksalber mit dem großen Herzen. Bill Murray gefällt auch schauspielerisch, wenn er den grausamen Perserkönig mit dem zwiespältigen Charme eines kapriziösen Bösewichts ausstattet.
Deutsches Theater, bis 29. Oktober außer Montag, 19.30 Uhr, Samstag und Sonntag auch 14.30 Uhr, Telefon 55234444
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