Münchner Wassermusik
Er wollte partout nicht aufgeben. Dabei harrte nur noch das stählerne Oper-für-alle-Volk eng zusammengeschrumpft unter einem Dächlein von Regenschirmen. Die anderen waren längst unter Bratwurststandl und in Toreinfahrten geflohen. Oder hatten – ihre „Scheiß Stöcklschuh’!” unterm Arm – das Weite gesucht. Sintflutartige Wassermassen prasselten auf den Max-Joseph-Platz, selbst die ersten Geiger und vor allem die Bratscher mussten sich auf der Bühne nach innen verzupfen. Kent Nagano wich keinen Millimeter, beschwor sein Staatsorchester. Und musste am Ende doch einsehen: „Es geht nicht, schon wegen der Instrumente. Und wir lieben unsere Instrumente!”.
Pausenclown zum Nulltarif
Da hatten die „Fidelio”-Gänger am Freitag mehr Glück. Obwohl das heitere „Mozart-Wetter” nach der Pause von dumpfem Beethoven-Gedonner abgelöst wurde und sich Thomas Gottschalk, der „Pausenclown zum Nulltarif”, auch noch als musikalischer Wetterfrosch gerieren konnte. Neben all den flockigen Werkeinführungs-Publikumswarmup-Sängerbefragungs-Intendantenplauder-Einheiten, durch die sich der Chefmatador des deutschen Fernsehens mit nimmer endendem Vertretercharme kalauerte.
Wahrscheinlich wurde in der ganzen Staatsopernsaison nicht so viel gequasselt wie an diesem Abend, war man selten näher am steuerzahlenden Publikum, tat man legerer als bei „Wetten dass” auf Malle. Selbst Nikolaus Bachler hatte sich ein volksnahes T-Hemd verordnet. Und nur der rasend attraktive Jonas Kaufmann konnte dieses gandios inszenierte Understatement mit seinem Florestan-Pyjama überbieten.
Verstärkerbedingte Phonzerrungen
Immerhin zogen solche Intimitäten angeblich 100000 Menschen an: am Ort des Geschehens, dann in Wien, wo das Spektakel auf den Rathausplatz übertragen wurde, und am heimischen PC über den modischen Livestream. Da konnte das Festspielkonzert natürlich nicht mithalten – die deutschen Elfen kickten sich ins Aus und die erste Dusche gab’s schon, bevor der Attacca-Nachwuchs in den Ring zog.
Mit Verspätung kam es dann doch zu einer feinen „Nacht auf dem kahlen Berge” (Mussorgsky). Sozusagen als Hors d’œuvre zum etwas üppigeren Menü der Staatsmusiker, das dann vor allem verstärkerbedingte Phonzerrungen erfuhr. Heftig peitschten die Arpeggien in Wagners „Tannhäuser”-Ouvertüre aufs Trommelfell, ein Herr mit Hirschhornknöpfen schien’s mit geballter Faust dann doch zu goutieren. Auch das Strauss-Geflirr in „Tod und Verklärung” wäre eher was für den Konzertsaal. Und zu Brahms Vierter kam’s gar nicht mehr.