München rettet Narnia

Hollywood bedient sich zunehmend einer Spezialeffekte-Firma im Geiselgasteig. Denn ohne Scanline VFX bewegt sich nichts und die Europapremiere des zweiten Teils der „Chroniken von Narnia“ wäre verloren.
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Hollywood bedient sich zunehmend einer Spezialeffekte-Firma im Geiselgasteig. Denn ohne Scanline VFX bewegt sich nichts und die Europapremiere des zweiten Teils der „Chroniken von Narnia“ wäre verloren.

Heute Nacht in Kaltenberg erfährt Europa, ob die Phanatasiewelt Narnia gerettet werden kann. Denn hier bei den Ritterspielen ist die Europapremiere des zweiten Teils der „Chroniken von Narnia“ (Kinostart: 31.7.). Was die wenigsten wissen: Bereits vor Monaten hat eine Münchner Firma „Narnia“ gerettet. Denn Narnia schien verloren.

Zu Hunderten setzten die brutalen Telmeraner über eine Holzbrücke, um Lucy und König Aslan zu töten. Doch plötzlich schwillt der Fluss an. Aus der Wassermasse schält sich ein turmhoher Dämon mit menschlichem Antlitz. Mit einem gewaltigen Schlag zerfetzt er die Brücke und fegt die feindlichen Soldaten in den reißenden Strom. Diese Sequenz zählt zu den Höhepunkten von „Prinz Kaspian von Narnia“. Möglich machte sie die Münchner Effektfirma Scanline VFX.

Bisher größter Auftrag für Scanline

Noch im Winter waren die Disney-Bosse verzweifelt. Wer könnte in kürzester Zeit den Wassergott von Narnia glaubwürdig animieren. Mit den bisherigen Ergebnissen war der „Shrek“-erfahrene Regisseur Andrew Adamson unzufrieden. Deshalb gab Disney Scanline VFX sechs Wochen Zeit, um eine Testversion zu präsentieren. Auf dem Bavariafilmgelände, wo Scanline sich in einem unscheinbaren Haus versteckt, glühten fortan Tag und Nacht die Rechner. Den bisher größten Auftrag wollte sich hier niemand entgehen lassen. Am Ende bekam Scanline den Zuschlag, innerhalb von vier Monaten die nur wenige Sekunden andauernde Sequenz zu animieren.

Ein eingespieltes Team von 30 Fachkräften arbeitete in langen Nachtschichten an der detaillierten Realisation. Um die immensen Datenmengen zu verarbeiten legte sich Scanline acht Hochleistungs-Prozessoren zu. Darüber hinaus kooperierte man von Geiselgasteig aus mit der erst im Februar eingerichteten Zweigstelle in Los Angeles. Ivo Klaus, langjähriger CG Artist bei Scanline, gab zu, „im Hinterkopf immer die Angst gehabt zu haben, es nicht rechtzeitig zu schaffen“. Die Sorge blieb unbegründet, das Ergebnis überzeugte selbst den kritischen Regisseur und bestätigt den enormen Entwicklungssprung, den Scanline seit seiner Gründung 1989 machte.

Leidenschaft für Visual Effects

Am Anfang spezialisierte sich die Firma auf 3D-Computergrafiken und kreierte Logos für die „Tagesschau“ und „Wetten dass…?“. Die Leidenschaft der Programmierer galt jedoch immer den Visual Effects. In der Serie „Helicops“ konnten sie sich erstmals im Spielfilmbereich austoben. Um den wachsenden Ansprüchen zu genügen, entwickelte das Softwareteam um Stephan Trojansky ein Programm Flowline, das Wasser, Wind und Feuer digital realistisch erschaffen kann.

Der Vorteil von Flowline (siehe das ABC auf dieser Seite) ist die flexible Einsetzbarkeit: „Dabei können wir die Gesetze der Physik auf den Kopf stellen. Dann fließt das Wasser zum Beispiel nicht wie in der Realität nach unten, sondern kreisförmig“, erklärt Mit-Entwickler Thomas Ganshorn. Für ihre Innovationen bekam Flowline im letzten Jahr den Technik-Oscar. Und auch Hollywood weiß längst von den Animationsqualitäten „made in Bavaria“.

Für das Actionspektakel „300“ kreierte Flowline Schiffe, die in einem Sturm durch die Gegend geschleudert wurden. Im Comic-Spektakel „Iron Man“ brennt Tony Stark seine Entführer mit Flammen aus den bayerischen Computern nieder. Die Freiwillige Selbstkontrolle Kino schnitt die Szene aber wieder heraus.

Sich vernetzen, um zu bestehen

Trotz steigender Rechnerkapazitäten und verfeinerter Software stehen für Scanline harte Zeiten an. Das Anspruchsdenken des Publikums steigt und immer frühere Startterminfestlegungen, um das wartende Publikum bei der Stange zu halten, führt dazu, dass den Effekt-Firmen kaum noch Zeit bleibt. Der Ausweg aus dieser Misere heißt Vernetzung. Wie bei „Narnia“ teilen sich spezialisierte Firmen die hochkomplexen Aufgaben untereinander auf.

Der immer vielfältigere Markt bietet auch der deutschen Filmlandschaft große Chancen: „Die Filmförderung hat ein wachsendes Interesse daran, die Qualität deutscher Effektfirmen zu steigern, um bei kommenden Filmproduktionen internationalen Ansprüchen zu genügen", argumentiert Scanline-Geschäftsführerin Ismat Zaidi.

Wer sich an dieser Entwicklung beteiligen will, sollte keine Scheu vor einer Bewerbung bei Scanline haben. Neben dem persönlichen Engagement ist dabei weniger eine Top-Ausbildung als ein sogenanntes „Demo Reel“ (entspricht einem Programmier-Nachweis) entscheidend für die Anstellung. „Eine streng gegliederte 40 Stunden Woche sollte man aber nicht erwarten“, ergänzt Thomas Ganshorn lächelnd.

Florian Koch

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