München leuchtet doch
Seit Jahrzehnten ist sie eine der populärsten und erfolgreichsten Schauspielerinnen Deutschlands. Die gebürtige Wienerin lernte in den 60er Jahren ihren Ehemann, Regisseur Michael Verhoeven kennen, mit dem sie in München wohnt. „Mit ihrer einzigartigen Ausstrahlung wurde sie zu einer filmischen Botschafterin Münchens”, sagt Oberbürgermeister Christian Ude. Morgen zeichnet er Senta Berger mit dem Kulturellen Ehrenpreis der Stadt München aus.
AZ: Frau Berger, wenn Sie München ohne Klischees loben müssten, was fällt Ihnen zu unserer Stadt ein?
SENTA BERGER: Ist es wirklich ein Klischee, wenn ich sage „München leuchtet”? Ist es ein Klischee, wenn mir zuallererst der blaue Himmel einfällt, den ich in dieser Farbe und mit diesem gewissen Licht sonst nur aus Italien kenne? Ist es ein Klischee, wenn ich sage, ich liebe die Isar in allen vier Jahreszeiten und wie sie sich durch München schlängelt, dieser Fluss wilder Natur, der uns einlädt, an seinen Ufern die städtische Hektik abzustreifen. All diese Klischees sind Münchens Wirklichkeiten.
Sie drehen viel in Berlin und haben dort auch eine Wohnung. Wie sehen Sie den Kampf zwischen den beiden Städten?
Ein Kampf? Davon habe ich noch nichts gehört. Deutschland ist wiedervereinigt. Dadurch sind neue Situationen entstanden, haben sich Gewichtungen verschoben. Nun haben wir eine Hauptstadt, wie wir sie immer haben wollten, in den Zeiten von Bonn, für das wir uns wegen seiner liebenswürdigen Provinzialität immer ein wenig geniert haben. Ein große Stadt voller Konflikte. Sicher entwickelt Berlin, das immer noch im Umbruch ist, eine große Anziehungskraft. Nicht nur für Künstler. Aber für die besonders. Das hat mit der inspirierenden Szene zu tun, aber auch, weil man sich das Leben dort leisten kann. Es gab und gibt in dieser riesigen Stadt genügend Raum zum Arbeiten, in den vielen verlassenen Fabriken und Werkstätten. Es gibt immer noch bezahlbare Wohnungen in den Stadtzentren. Da ist es schwer für München mitzuhalten. Schon rein durch seine Lage, durch seine Größe, durch seine Geschichte. München wird sich neu ausrichten. Das geht nicht über Nacht. Aber es wird der Stadt unendlich gut tun.
Auch Helmut Dietl hat für seinen „Kir Royal”-Nachfolger „Zettl” den Tratsch von München nach Berlin verlagert. Ist das generell eine Tendenz?
Ich habe keine Ahnung, ob die Münchner Gesellschaft sich von der Berliner Gesellschaft unterscheidet. Ich war nie in der einen, noch in der anderen Gesellschaft „Gast”. Berlin ist ja nicht nur politisches Zentrum, sondern auch Mittelpunkt aller Medien. Helmut Dietl fand die Verquickungen, Verbrüderungen, Machenschaften zwischen Politik und Medien nicht nur interessant, sondern auch typisch für unsere Zeit: Denken Sie nur an Rupert Murdoch und seine windigen Mitarbeiter, oder denken Sie an den zwar anders gelagerten Fall Wulff und „Bild”. Insoweit kann „Zettl" nur in Berlin spielen.
Haben Sie eigentlich Zeit, das üppige Kulturangebot in München zu nutzen?
Ich genieße Münchens Kulturangebot, wie jeder andere Münchner Bürger auch es kann. Die Theater, die Oper, die Musik, die Ausstellungen. Aber für mich ist auch der Englische Garten Kultur, gelebte, gewachsene Kultur. Und für mich ist die Münchner Sprache Kultur, diese süddeutsche Melodie mit ihren dunklen Vokalen. In diese Sprache hab ich mich zuerst verliebt. Das heißt zuerst in meinen Mann Michael Verhoeven und dann in seine Sprachmelodie.
Vermissen Sie etwas in der hiesigen Kulturszene?
Ja, doch. Ich vermisse zum Beispiel die Theaterfestivals in den Sommern der 70er, 80er Jahre im Englischen Garten, die unvergessliche Erlebnisse waren. Eine Frage des Geldes? Ich vermisse Ausstellungen, wie die über den Maler Albin Egger-Lienz, die ich in Wien gesehen habe, und die unbedingt auch nach München gehört. Oder die über die „Neue Sachlichkeit" in Dresden, die für München wichtig ist. Kann man keine Co-Ausstellungen organisieren? Trotz der Schwierigkeiten, die vermutlich Versicherungen machen? Und dann: Ich beobachte die ständige Verödung der Straßen in der Innenstadt. Die kleinen originellen Einzelhändler verschwinden. In den immer gleichen Kleiderfilialen die immer gleichen Kleider. In den teuren Markenläden mit ihren depressiven Verkäuferinnen und den 100 Kilo schweren Glatzköpfen vor der Türe ist nie ein Mensch. Das ist kein städtisches Leben. Das ist das Einknicken vor der Gewerbesteuer. Ich bin sicher, dass die Stadt sich ein Einspruchsrecht sichern könnte,wenn sie denn darauf Wert legen wollten, dieses kleine, vielfältige kulturelle Leben am Leben zu erhalten.
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