Mozart zeigt Muskeln

Opernfestspiele: Sieben gute Gründe für sein Jugendwerk „Mitridate, re di Ponto”
Birgit Gotzes |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

Zum Kanon der Meisterwerke Mozarts gehört sie nicht. Erst vierzehn Jahre zählte der Komponist, als er kurz nach seinem Stimmbruch 1770 für Mailand „Mitridate, re di Ponto” komponierte. Am Donnerstag kommt die Opera seria als zweite große Premiere der Festspiele im Prinzregententheater heraus. Warum sollten wir uns für dieses Jugendwerk interessieren? Für den Regisseur David Bösch gibt es gleich vier Gründe. Eloquent zählt er sie zwischen zwei Proben auf.

DIE MUSIK „Derzeit ist das natürlich mein Lieblings-Mozart!”, schwört Bösch. „Es ist ein Frühwerk, aber die Musik hat Tiefe und ist extrem emotional. Der Dirigent Ivor Bolton – mit dem ich zum ersten und hoffentlich nicht zum letzten Mal zusammenarbeite – hat es so formuliert: Das ist das erste Werk, in dem Mozart wirklich seine Muskeln spielen lässt.”

DIE BESETZUNG Da kommt Bösch ins Schwärmen: „Es ist eine bis in die kleinste Rolle großartige Besetzung, wunderbare Sänger und Sängerinnen wie Barry Banks (Mitridate), Patricia Petibon (Aspasia), Anna Bonitatibus (Sifare) und der Counter Lawrence Zazzo (Farnace). Alle sind auch tolle Darsteller.”

DAS ERFOLGSTEAM Mit Patrick Bannwart (Bühne) und Falko Herold (Kostüme) hat Bösch schon in der Staatsoper Donizettis „L’elisir d’more” herausgebracht. Diesmal sind die beiden noch stärker in die Produktion involviert: „Wir arbeiten mit Projektionen”, sagt Bösch. „Man kann durch sie bei den Arien in die Köpfe der Figuren schauen. Anders als im Schauspiel werden in der Oper die Gefühle ja nicht unter den Worten versteckt, sie sind in den Arien schon da. Das macht die Oper für mich als Regisseur sehr attraktiv.” Gezeigt werden Kinderzeichnungen: Ein kleiner Prinz schaut auf die Geschichte vom König und seinen beiden Söhnen. „Damit wird das Ganze archetypisch, märchenhaft, auch naiv.”

DIE GESCHICHTE „Mitridate” dreht sich um den Konflikt eines Vaters mit seinen Söhnen. Bösch ist überzeugt: „Das geht uns etwas an, auch wenn es heute anders abläuft. Mit seinem Vater muss man sich immer auseinander setzen, da gibt es immer Angst, die Suche nach Anerkennung, Bewunderung, Liebe, Hass. Und dieser Vater ist gar nicht das Monster, das er zu sein scheint, er ist ein Mensch, verletzlich und nachdenklich. Das ist alles nicht weit weg von uns.” Außerdem: „Besonders Aspasia, Mitridates Braut, die von beiden Söhnen begehrt wird, verweist schon auf Mozarts spätere große Frauenfiguren. Wie er sich so jung so in eine Frau hineindenken konnte, das ist schon erstaunlich!”

Gibt es noch mehr Gründe für „Mitridate”? Aber sicher! Wir hätten noch weitere drei:

AUTOBIOGRAFISCHES Auch Mozarts Verhältnis zu seinem Vater gilt als problematisch. Gibt es da Zusammenhänge? Bösch bejaht: „Die Beziehung war kompliziert, das muss man auch aufnehmen, aber natürlich nicht mit einem kleinen Mozart auf der Bühne.”

DER FRISCHE BLICK Hat ein Regisseur mit Anfang dreißig einen besonderen Blick auf das Werk eines Vierzehnjährigen? „Ja, ganz bestimmt”, meint Bösch. „Die Menschen in diesem Stück bewahren keine Haltung mehr, wenn die aufeinander losgehen, dann geht es zur Sache. Auf diese entfesselten Emotionen hat man vermutlich einen anderen Blick, wenn man jung ist.”

UND VOR ALLEM: MOZART „Mitridate” ist Böschs erster Mozart. Was fasziniert ihn daran? „Die Leichtigkeit und die Tiefe. Mozart sieht auf das Wesen des Menschseins. Klingt pathetisch, aber das stimmt schon. Das ist ja auch die eigentliche Aufgabe von Theater, Oper, Musik. Natürlich ist es interessant, die Welt anzusehen, in der wir leben, und das zu reflektieren. Aber in die Seele hineinzuschauen, das interessiert mich vor allem. Und das kann man in der Oper – und bei Mozart ganz besonders gut.”

Premiere morgen, 19 Uhr, im Prinzregententheater. Teure Restkarten unter Tel. 21 85-19 20

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.