Mit zärtlicher Beharrlichkeit

„My Fair Lady“ auf der Seebühne Mörbisch, dem Mekka der leichten Muse im Burgenland
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„My Fair Lady“ auf der Seebühne Mörbisch, dem Mekka der leichten Muse im Burgenland

Die berühmt-berüchtigte Begrüßung der Gäste fiel diesmal deutlich kürzer aus. Mörbisch-Boss Harald Serafin wusste: das Musical „My Fair Lady“ von Frederick Loewe und Alan Jay Lerner hat gefährliche Längen. Außerdem mögen die dunklen Wolken am Himmel über dem Neusiedlersee zur Eile geraten haben.

Einen Knaller ließ er sich dann aber doch nicht nehmen: Obwohl Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer unter den Premierengästen weilte, zog sich Serafin am Ende seiner Eingangs-Conférence recht ungalant zurück: „Jetzt habe ich hoffentlich alle begrüßt, die angeblich wichtig sind.“ Hofnarren können sich das leisten. Für Mörbisch und das Burgenland sind die Seefestspiele nach wie vor ein Glücksfall.

Die beste Produktion seit langem

Den nicht immer rosigen Operetten-Alltag mit einem Musical aufzufrischen, warum eigentlich nicht? Der Erfolg gab Serafin Recht. „My Fair Lady“ ist die beste Produktion seit langem, auch deshalb, weil die Hauptpartien optimal besetzt sind. Burgschauspieler Michael Maertens hatte sich lange geziert, den arroganten Sprach-Fanatiker Henry Higgins zu mimen. Schließlich kapitulierte er: „Serafin ist in jede meiner Vorstellungen gekommen und hat mich schließlich weichgeklopft.“ Der Intendant nennt das augenzwinkernd „meine zärtliche Beharrlichkeit“. Mit Maertens und der erst 23-jährigen Newcomerin Nadine Zeintl als Eliza hatte er das große Los gezogen.

Über den deutschen Text von Robert Gilbert wurde in Mörbisch die dialektgefärbte Version des Wiener Kabarettisten Gerhard Bronner gestülpt. Da musste selbst der Gast aus dem benachbarten Bayern höllisch aufpassen, um ja nichts zu verpassen. Zumal Regisseur Helmut Lohner selbst mitspielte und den Müllkutscher Alfred P. Doolittle mit launiger Penetranz in eine Nestroy-Figur verwandelte.

In Anorak und Mütze

Erlaubt ist, was gefällt. Wiener Schmäh angesichts von Big Ben, Tower Bridge und St. Paul’s Cathedral – Rolf Langenfass hatte halb London auf die Seebühne gebaut – das war grotesk genug, aber es besaß jenen überzeugenden, altmodischen Charme, um den Mörbisch in guten Jahren auch von anspruchsvollerer Konkurrenz beneidet wird.

Ehrensache, dass der Hausherr auch diesmal wieder mitmachte: Er war in die Rolle des väterlichen Freundes Elizas und Wettpartners von Henry Higgins, Oberst Pickering, geschlüpft, noch immer erstaunlich präsent, auch dann, wenn ihm kurzfristig einmal der Text abhanden kam. Das Ereignis aber war der wunderbar präzise Michael Maertens. Weil die gigantischen Bühnenausmaße kaum Intimität und Zwischentöne gestatten, durfte er als arroganter, besserwisserischer Schnösel kräftig auf die Pauke hauen. Sein Konto an Sympathiepunkten sollte bis zum Ende der Aufführung nur unwesentlich wachsen. Maertens allein ist die Reise nach Mörbisch wert.

Die von Operetten-Spezialist Caspar Richter schwungvoll, wegen des drohenden Regens gelegentlich mit Anorak und Mütze dirigierte Aufführung bewies einmal mehr, dass man alles auf die Bühne bringen kann – wenn man es nur gut macht. Den Sprachkurs gibt es im Übrigen gratis dazu: Jemanden „hamdrahn“ heißt schlicht, ihm den Garaus zu machen. Hätten Sie’s gewusst?

Volker Boser

Mörbisch am Neusiedler See, bis 23. August, Karten unter Tel. 0043 / 2682 / 66210 oder www.seefestspiele-moerbisch.at

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