Mit Wagner durch die Mauer
Der Bayreuther Festspielsprecher Peter Emmerich nahm 1989 den Mauerfall um Monate vorweg
Für ihn ging der „Eiserne Vorhang“ schon früher auf. „Ich habe privat etwas vorweggenommen, was wenige Monate später Weltgeschichte schrieb“, erinnert sich Peter Emmerich an das Jahr des Mauerfalls. Für den damals 30-jährigen Theaterwissenschaftler aus Dresden öffnete sich der „Eiserne Vorhang“ bereits im Frühjahr 1989 – dank des Einsatzes von Bayreuths Festspielleiter Wolfgang Wagner. Seit damals leitet Emmerich das Pressebüro der Richard-Wagner-Festspiele.
„Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann hat er das auch geschafft“, sagt Emmerich über Wolfgang Wagner. Die Wege der beiden hatten sich im Herbst 1985 erstmals in Dresden gekreuzt, wenige Monate nach der Wiedereröffnung der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Semperoper. Der Enkel Richard Wagners war der erste westdeutsche Opernregisseur, der in der damaligen DDR inszenierte. Wenige Monate nach Abschluss seines Studiums durfte Emmerich dem Bayreuther Festspielchef bei den Proben und den Aufführungen der „Meistersinger in Nürnberg“ in Dresden assistieren.
Ein kleines Wunder
Zwei Jahre später erfüllte sich für Emmerich ein Jugendtraum, der ihm zuvor „völlig unerreichbar“ schien. Wagner lud ihn zu den Generalproben nach Bayreuth ein. „Das war schon ein kleines Wunder, aber nichts deutete damals darauf hin, dass es sich wiederholen würde“, blickt Emmerich zurück. Ende 1988 inszenierte Wagner erneut an der Semperoper, diesmal die Oper „Der fliegende Holländer“. Wagner fragte Emmerich, ob er nicht Lust hätte, nach Bayreuth zu kommen und das Pressebüro der Festspiele zu leiten.
„Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“, wandte Emmerich seinerzeit ein. „Lassen Sie das mal meine Sorge sein“, lautete die Antwort des Festspielchefs. Im selben Jahr war es Wagner nach jahrelangen vergeblichen Bemühungen erstmals gelungen, neben herausragenden Regisseuren wie Götz Friedrich oder Harry Kupfer auch andere Künstler aus der DDR nach Bayreuth zu holen. „Mit meiner Verwaltungstätigkeit war ich dennoch ein Präzedenzfall“, betont Emmerich. „Nach langem Hin und Her hat es im Juni 1989 endlich geklappt, ein paar Monate später war die DDR auf dem Scherbenhaufen der Geschichte gelandet.“
Im Auge des Hurrikans
Emmerich hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten die letzte Phase der fast 60-Jährigen Ära Wolfgang Wagner ebenso hautnah miterlebt wie die stürmischen Auseinandersetzungen um dessen Nachfolge und die künstlerische wie die persönliche Entwicklung von dessen Tochter Katharina. Für ihn bleibt Wolfgang Wagner auch nach seinem Rücktritt eine beeindruckende Persönlichkeit. „Diese Art von Menschen ist am Aussterben“, sagt er respektvoll und bedauernd.
Für die Journalisten aus aller Welt ist Emmerich seit zwei Jahrzehnten der Ansprechpartner Nummer eins am „Grünen Hügel“. „Ich habe mich immer als Kollege verstanden und mich um ein partnerschaftliches Verhältnis mit den Medien bemüht“, sagt der mittlerweile 50-Jährige. Die neue Offenheit und Transparenz, die seit Katharina Wagners Regie-Debüt vor zwei Jahren in Bayreuth zu spüren ist, kommt dem Naturell des gebürtigen Sachsen entgegen. Die Stürme um die Nachfolge des Patriarchen hat er, wie er sagt, mit Gelassenheit überstanden.
Wagner für Kinder
Von der neuen Doppelspitze Katharina und Eva Wagner-Pasquier am „Grünen Hügel“ erwartet Emmerich neue Akzente wie die erste Kinderoper, die für diesen Sommer geplant ist: „Nach Wolfgang Wagner wird ein neues Bayreuth entstehen, die beiden werden aber die Festspiele nicht von den Füßen auf den Kopf stellen“, betonte er.
Emmerich ist mit Begeisterung bei der Sache. „In den ganzen 20 Jahren war nicht ein einziger Tag so richtig umsonst oder langweilig“, bekennt er. „Die Abläufe im Festspielsommer sind zwar immer gleich, die Strukturen ähnlich, aber die Ausfüllung dieses Rahmens ist jedes Jahr neu. Es gibt immer neue Leute, neue Inszenierungen und neue Herausforderungen. Kein Sommer gleicht dem anderen.“
Manfred Präcklein
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