Mit Swing durch die Neurosen
Marcelline steckt in einer Midlife Crisis. Kurz vor ihrem 40. Geburtstag beschließt sie, aus ihrem Alltag auszubrechen. Valeria Bruni-Tedeschi inszeniert in „Actrices “ eine beschwingte Tragikomödie.
Die gefeierte Schauspielerin Marcelline ist zurück in ihrer Heimat. Sie will eine Rolle an einem kleinen Theater in Paris spielen; die Natalja Petrowna in Turgenjews „Ein Monat auf dem Lande“, eine kapriziöse Frau, auf der Suche nach Liebe jede Möglichkeit nutzend. Eine Rolle, die Marcelline auf den Leib geschrieben ist: Sie steht kurz vor dem 40. Geburtstag und ist von Selbstzweifeln geplagt. Valeria Bruni-Tedeschi inszenierte mit „Actrices ...“ eine beschwingte Tragikomödie.
Frustriert und ängstlich, aber immer Träumen nachjagend – Marcelline hat Torschlusspanik, weil die biologische Uhr tickt. Sie glaubt kindlich an die große Liebe, hat Angst vorm Älterwerden und der Einsamkeit. Valeria Bruni-Tedeschi, Halbschwester von Frankreichs First Lady Carla Bruni-Sarkozy, hat mit ihrem Regiedebüt „Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr“ (2003) begeistert. Wie in dieser autobiografisch geprägten heiteren Sinnsuche übernimmt sie auch in ihrer zweiten Regiearbeit „Actrices“ die Hauptrolle.
Traum und Realität vermischen sich
Als die Gynäkologin verkündet, Marcelline habe nur noch wenig Zeit, ein Kind zu bekommen, vermischen sich Traum und Realität. Ihr Vater (Maurice Garrell) kehrt für berührende Momente von den Toten zurück, ihre Jugendliebe macht ihr vom Baum vor ihrem Zimmer aus den Hof. Und Natalja Petrowna (Valeria Golino) materialisiert sich, wird zur echten Person, mit der sich Marcelline über Seelennöte austauscht. Das kulminiert im Kosmos eines kleinen Theaters.
Wenn Marcelline den von ihren Capricen überforderten Regisseur (Mathieu Almaric) zur Weißglut treibt, dem jungen Schauspieler Eric (Louis Garrel) einen Kuss raubt und der Regieassistentin Nathalie (Noémie Lvovsky) das Baby entführt, sind das Verzweiflungstaten. Es ist ein Leben, in dem Wünsche zur falschen Wirklichkeit werden und die Realität nicht mehr greifbar ist. Der Taumel Marcellines ist sehr organisch inszeniert in diesem sinnlichen, auch humorvollen Film.
„I Will Survive“
Es ist nicht immer nachvollziehbar, wenn sich die Ebenen des Films plötzlich verschieben. Aber das neurotische Gesamtbild hat liebevolle Details – mit der Mutter Maria, dem Schwimmen zum Swing, dem Tanz zu „I Will Survive“. Und überleben wird Marcelline, irgendwie.
Andreas Fischer
Kino: Eldorado, Neues Arena, im Theatiner in OmU
R & B: Valeria Bruni Tedeschi K: Jeanne Lapoirie (F, 107 Min.)
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- Carla Bruni-Sarkozy