Mit Platon im Musikantenstadl
Klartext und Philosophie beim Aschermittwoch der Kabarettisten
Ottfried Fischer machte aus dem 2009er-Jahrgang des Aschermittwoch der Kabarettisten gleich zu Beginn fast ein philosophisches Kolloquium: Sein Thema war das Höhlengleichnis von Platon. Darin erweist sich die Freiheit, ans Tageslicht zu treten, als schmerzhaft, bis die Augen an die Helligkeit gewohnt sind. Die Höhle sei vergleichbar mit der volkstümlichen Musik, aber da wiederum Aristoteles das Licht und damit die Erkenntnis im Herzen der Menschen vermutete, helfe die antike Philosophie insgesamt beim Problem des Musikanten-stadls auch nicht weiter.
Ausflüge in die humanistische Bildung sind in Wirtschaftskrisen eher untypisch. Während beim Politischen Aschermittwoch in Passau trotz des Super-Wahljahres ein befremdlich höflicher Ton angestimmt wurde, schlug der politischen wie ökonomischen Elite beim Brettl-Kehraus – erstmals nicht in der Münchner Philharmonie, sondern in der Germeringer Stadthalle – erkennbar schlechte Laune entgegen. Christian Springer, in der Rolle des Neuschwansteiner Grantlers Fonsi wieder zuverlässiger Mittelpunkt der beinahe live im Bayerischen Fernsehen übertragenen Show, rempelte angesichts 200000 bayerischer Kinder in Armut Sozialministerin Christine Haderthauer im Klartext an: „Tuns ned wochenlang umeinander telefonieren, bloß damit die Presse nicht frühzeitig an den Sozialbericht kommt. Machens heut noch was!“
Hader nimmt das philosophische Grübeln wieder auf
Frank Lüdecke, Kabarettist aus dem Brandenburgischen, hatte immerhin eine „positive Nachricht: Finanzwelt und Politik arbeiten jetzt in der Krise zusammen. Oder anders ausgedrückt: Skrupellosigkeit trifft Blödheit“. Hans-Günther Butzko kalauerte im Ruhrpott-Slang hinterher: „Was jetzt kommt, heißt Deppression.“ Er hatte übrigens nicht den Zug genommen, denn „solange Mehdorn Chef dort ist, erfüllt eine Reise mit der Deutschen Bahn den Straftatbestand der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung“. Zu Opel fiel der „Kanzlerinnensouffleuse“ Simone Solga wenigstens TV-Liebling Thomas Gottschalk zum Vergleich ein – „beide waren schon immer da, sehen unmöglich aus und ihr Geld geht in die USA“.
Ein Frischling in der Satire-Szene ist noch der Hamburger Sebastian Schnoy. Er fragte, ob die europäischen Nachbarn den Deutschen inzwischen trauen können oder „machen sie einfach nur alles gründlich – Demokratie, Mülltrennung, Faschismus?“ Als studiertem Historiker sei dem 40-Jährigen auch der Griff ins Pointen-Museum gestattet, wie im Falle der Ankündigung des Länderspiels Österreich-Ungarn mit der anschließenden Frage: „Gegen wen?“ Vertreten wurde das Kabarett der vormaligen Donau-Monarchie von einer seiner Spitzenkräfte: Josef Hader nahm das philosophische Grübeln gegen Ende wieder auf, indem er sich die Tollkühnheit leistet, zu wissen, dass man nichts weiß. Natürlich seien Politiker „blöd, dumm, überbezahlt“, aber sind sie alleine schuld an der Krise? „Vielleicht ist es ganz schick“, meinte Hader, „wenn man mal sagt: Ich weiß es nicht.“
Mathias Hejny