Mit Kleinkram in die Vollen
Konzeptkünstler Hans-Peter Feldmann hat ein Faible für Alltägliches und wird mit seinen subversiv schrägen Arbeiten gleich dreimal in München gefeiert – auch in der Pinakothek
Godzilla dreht sich auf einem Tellerchen. Niedlich wie das Hummel-Bübchen oder der Glitzerhirsch daneben. Und wenn im Advent erst der Nikolaus mit ein paar Engerln einzieht, wird’s sogar beschaulich.
Mit dem opulenten „Schattenspiel“ zeigt Hans-Peter Feldmann seine Anti-Kunst in allen Facetten – und bringt sie zugleich auf den Punkt. In der Pinakothek der Moderne sind dem Künstler jetzt drei amüsante „Rumpelkammern“ bereitet, parallel zu seiner Gestaltung des Magazins der „Süddeutschen Zeitung“, das heute erscheint. Dazu kommen gleich noch zwei weitere Auftritte in München. Und nicht nur hierzulande erlebt der öffentlichkeitsspröde Düsseldorfer einen imposanten Hype. Anfang November erst hat er in New York den ziemlich renommierten Hugo-Boss-Prize erhalten. Und es hagelt Anfragen aus aller Welt. Längst liebt der Kunstmarkt seine eifrigsten Wühlmäuse, die Untergräber des Systems. Und Feldmann wird sich auch darauf seinen subversiven Reim basteln. Vielleicht im Stil des rosa bepinselten David von Michelangelo, mit goldblondem Scham- und Hauptgekräusel.
Den sieht man in München leider nicht. Dafür manches gleich doppelt. Das Pfund Erdbeeren etwa, das Feldmann – einzeln – fotografiert hat, die Autoradios, die er in dem Moment einfing, als „saugute“ Musik lief (was man natürlich sieht). Und die zerwühlten Betten, Momentaufnahmen nach diversen Nächten in Hotels. Sie alle hängen in der Pinakothek und im Showroom des Schirmer/Mosel Verlags.
Weder signiert noch nummeriert noch limitiert
Den Ausstellungsmachern muss das nicht behagen, aber es ist typisch Feldmann. Seine Arbeiten sind weder signiert, noch nummeriert, noch limitiert. Einziger Trost für die Käufer: Er bestätigt wenigstens die Echtheit des Werks mit einem Brief. Sagt er. Und blickt aus sehr freundlichen, kleinen Augen, denen eh nichts entgeht.
Überall findet Feldmann Material für seine Installationen. Alltagsgegenstände, Spielzeug, Nippes. Und damit tickt er wie seine Schweizer Freunde Peter Fischli und David Weiss. Bis auf den Unterschied, dass der ruhige Mann aus dem Rheinland allzu großen Aufwand, allzu kopflastig-komplizierte Konstruktionen meidet. Er braucht auch nicht viel. Ein simples Blumenfoto im Stil der 50er-Postkarten kann im Gehirn des Betrachters erstaunliche Bilder evozieren. Seine Handabdrücke bekannter Persönlichkeiten von Aldous Huxley bis Marcel Duchamp (auch so ein Ahnherr Feldmanns) erzählen plötzlich Geschichten.
Dagegen sind die eingangs erwähnten „Schattenspiele“ geradezu aufwändig, überbordend, schillernd. Feldmann geht hier mit Kleinkram in die Vollen. Zig Figürchen drehen auf rotierenden Scheiben ihre Pirouetten und werfen durch eine fein ausgetüftelte Beleuchtung imposante Schatten, die wie in einem Kaleidoskop miteinander tanzen. Auch damit führt uns der charmante Kunst-Querulant hinters Licht. Im doppelten Sinne. Wer mag, kann dieses Schauspiel en passant goutieren – am Bauzaun der Residenzpost, wo bald ein Edel-Label seine Zelte aufschlagen wird.
Das Interview
Normalerweise gibt er keine Interviews – für die AZ hat Hans-Peter Feldmann allerdings eine Ausnahme gemacht
AZ: Herr Feldmann, haben Sie im Bayerischen Hof wieder mal als Kaufmann eingecheckt?
HANS-PETER FELDMANN: Ach, die fragen heute gar nicht mehr nach dem Beruf.
Ihnen ist der Künstlerberuf wohl suspekt?
Berufskünstler kann es ja nicht geben. Kunst ist Teil des Lebens, wie Liebe oder Essen. Man kann auch nicht den ganzen Tag essen oder lieben.
Sie unterlaufen den Kunstbetrieb ziemlich kunstvoll.
Ich unterlaufe nicht, ich gehe ganz normal geradeaus. Mag sein, dass der Weg nicht unbedingt in den üblichen Bahnen der Kunst verläuft.
Sie weigern sich jedenfalls zu signieren, zu limitieren...
Sagen Sie mir einen guten Grund, weshalb ich signieren sollte, und ich tu's.
Ach, da wären die glücklichen Gesichter Ihrer Kundschaft.
Richtig.
Das interessiert Sie nicht. O.k. Hat ja trotzdem funktioniert.
Sie können ja auch mit Liebe Geld verdienen. Das tut man aber nicht. Und das ist in der Kunst genauso.
Uns irritiert Ihre Zusammenarbeit mit Louis Vuitton.
Das verstehe ich. Aber ich erklär's Ihnen. In der Pinakothek kommen vielleicht 30.000 Leute durch meine Räume, wenn’s viele sind im nächsten Vierteljahr. In Düsseldorf bei Vuitton auf der Kö sind’s pro Stunde 10.000. Wenn davon nur ein Prozent stehen bleibt und guckt, sind’s immer noch viel mehr.
Aber Sie machen Werbung.
Nein, da steht kein Logo dabei. Vuitton gibt einem völlige Freiheit. Im Gegensatz zu BMW, wo man einen BMW anmalen müsste. Ich habe in den Schaufenstern in Düsseldorf Frauentaschen und deren Inhalt ausgestellt. Das sah aus wie beim Trödel. Da waren dann auch Sachen von Prada, Gucci oder Cartier dabei. Aber das hat die Vuitton-Leute nicht gestört.
Bilder, haben Sie mal gesagt, gehören allen. Deshalb unterscheiden Sie nicht zwischen Eigenem und Fremdem.
Mich interessiert nur die Wirkung der Bilder. Und woher das kommt, ist egal.
Beim Aussuchen und Komponieren haben Sie jedenfalls ein gutes Auge.
Wenn ich was kann, dann gucken.
Man kann auch abgucken.
Sicher. Man lernt viel beim Abgucken. Das ist die Hauptgabe, um etwas zu erreichen.
Keine Lust, selber zu malen?
Auf einer Kunstschule habe ich angefangen, Malerei und Grafik und Zeichnen zu lernen. Aber ich kann es nicht.
Sie können’s nicht?
Nein. Und daraus habe ich Konsequenzen gezogen. Ein guter Maler fängt mit fünf Jahren an zu malen. Mit zehn ist’s schon zu spät. Wie bei einem guten Geiger.
Hatten Sie deshalb jemals Hemmungen?
Nö, überhaupt nicht, ich habe nur Respekt vor Leuten, die wirklich gut zeichnen können. So wie Egon Schiele. Das ist nicht nachvollziehbar.
Bleibt die Fotografie.
Genau. Knöpfchen drücken. Mehr nicht.
Sie sind ganz schön subversiv drauf.
Ich versuche halt, auf den Punkt zu kommen. Das macht das Leben einfacher.
Christa Sigg
Pinakothek der Moderne: bis 13. Februar; Showroom Schirmer/Mosel, Galeriestr. 2, bis 15. Januar; Louis Vuitton, Residenzpost, Bauzaun: bis 6. Januar täglich von 16.30 bis 23 Uhr