Mit Faust und Schwäche

Die lettische Mezzosopranistin Elina Garanca über die Rolle als Femme fatale, die Emanzipation beim Müllraustragen und den Gipfel des Lebens
von  Abendzeitung

Die lettische Mezzosopranistin Elina Garanca über die Rolle als Femme fatale, die Emanzipation beim Müllraustragen und den Gipfel des Lebens

Im Juni wurde ihre Carmen in der Staatsoper bejubelt. Ausschnitte aus Bizets Oper singt die blonde Lettin am Sonntag im Rahmen ihrer “Habanera“-Tour am Sonntag im Gasteig, vermehrt um spanisch angehauchte Werke von von Ravel, Villa-Lobos und Lehár.

AZ: Frau Garanca: Wenn Sie im Nationaltheater Deutschlands schönsten Tenor Jonas Kaufmann verführen, Ihr Ehemann Karel Mark Chichon unten im Orchester dirigiert – wie fühlt sich das an?

ELINA GARANCA: Wenn ich auf der Bühne stehe, dann steht da nicht oben Elina und unten ein Ehemann, sondern da steht eine Carmen und sieht den Dirigenten.

Beeinflusst die gemeinsame Arbeit das Privatleben nicht?

Unser Alltagsleben ist wie bei jedermann. Auch wir müssen einkaufen, den Müll wegbringen. Allerdings kennen wir die Bedürfnisse des anderen genau. Wenn er ein Konzert hat, lasse ich ihn in Ruhe. Umgekehrt würde er mir nie vorschlagen, am Abend vor einer Aufführung bis vier Uhr früh zu tanzen. Ganz normal also.

Normal? Viele berufstätige Frauen haben genau da ein Problem.

Ich glaube, das hat nichts mit dem Beruf, sondern mit Verständnis und Respekt zu tun. Beziehungen funktionieren dann am besten, wenn man auch ohne einander existieren kann. Ich weiß, er ist da, er weiß, ich bin da, aber wir stören einander nicht. Das ist wohl das Geheimnis.

Und das klappt bei Ihnen?

Ja, da habe ich sicher großes Glück. Aber natürlich kracht's auch mal!

Und wer kocht?

Eigentlich ich! Aber es darf nicht zu lange dauern. Stundenlang Saucen köcheln ist nicht mein Ding. Wenn es etwas Tolles sein soll, dann gehen wir aus.

Sie gehören zur ersten Generation Frau, die von der Emanzipation profitiert hat. Wie ist das in Ihrer Heimat Lettland?

Ich glaube, Frauen sehen dort den Mann noch als das Familienoberhaupt an. Trotzdem sind sie stark und weiblich.

Ist Carmen emanzipiert?

Zur Zeit der Uraufführung war so eine Frau ein unglaublicher Schock. Für mich ist sie beides: emanzipiert und egoistisch. Aber ihr Egoismus ist nicht bösartig, das ist einfach ihr Charakter.

Viele Mädchen wollen lieber Topmodel werden als Bundeskanzlerin. Muss frau immer noch zwischen Emanzipation und Weiblichkeit wählen?

Auch wenn es banal klingt: Das hängt mit den wahren Werten einer Gesellschaft zusammen. Emanzipation bedeutet nicht nur, Rechte zu bekommen, sondern auch Leistung zu bringen.

Was ist Weiblichkeit heute?

Ich glaube, dass die Weisheit und Weiblichkeit der Frauen darin liegt, zu wissen, wann man schwach sein darf und wann man mit der Faust auf den Tisch hauen muss.

Warum machen Sie CD und Tour mit dem Lettischen Nationalorchester?

Das ist kein Zufall. Ich möchte meine Heimat unterstützen. Dort ist die Situation sehr schwierig. Ich habe auch schon viele Konzerte mit diesem Orchester gemacht und mein Mann ist sein Chefdirigent. Dazu kommt die einfache Probenorganisation, die gemeinsame Mentalität. Viele Orchestermusiker kenne ich sogar aus der Studienzeit.

Warum heißen die CD und das Programm „Habanera“?

Zigeuner assoziiert man mit Carmen und Spanien. Aber ich singe nicht nur die Carmen, sondern auch Léhar und Bernstein. Es war eigentlich allgemein das Gipsy-Thema, das mich interessierte.

Ist Carmen Ihre Lieblingsrolle?

Es ist eher Zufall, dass ich sie so oft gesungen habe.

Wohin soll es bei Ihnen noch weitergehen?

Auf der Bergspitze ist es schön, aber die Luft ist oben dünner. Die Stimme entwickelt sich, Lebenserfahrung kommt dazu. Irgendwann werde ich sicher Kinder haben wollen.

Was ist der wahre Luxus?

Den Tag abzuschließen und sich sagen zu können, ich habe das Beste daraus gemacht. Im Alltagsleben: ein Tag zu Hause für mich, ohne Telefon und E-Mail. Und im Alter möchte ich mir dann sagen können: Ich war gut zu meinen Nächsten und die waren auch glücklich mit mir. Birgit Gotzes

Birgit Gotzes

Gasteig, So., 20 Uhr. Karten unter Tel. 54 81 81 81 und Abendkasse. Die CD erschien bei der Deutschen Grammophon

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